Vorspiel und Erste Szene


[797] Wildes Wald- und Felsental am Rheine, welcher im Hintergrunde an einem steilen Abhange vorbeifließt. – Die drei Rheintöchter (Woglinde, Wellgunde und Floßhilde) tauchen aus der Flut auf und schwimmen, wie im Reigentanze, im Kreise umher.


DIE DREI RHEINTÖCHTER im Schwimmen müßig einhaltend.[797]

Frau Sonne

sendet lichte Strahlen;

Nacht liegt in der Tiefe:

einst war sie hell,

da heil und hehr

des Vaters Gold noch in ihr glänzte.

Rheingold,

klares Gold,

wie hell du einsten strahltest,

hehrer Stern der Tiefe!


Sie schließen wieder den Schwimmreigen.


Weialala leia,

wallala leialala!


Ferner Hornruf. Sie lauschen. Sie schlagen jauchzend das Wasser.


Frau Sonne,

sende uns den Helden,

der das Gold uns wiedergebe!

Ließ er es uns,

dein lichtes Auge

neideten dann wir nicht länger!

Rheingold!

Klares Gold,

wie froh du dann strahltest,

freier Stern der Tiefe!


Man hört Siegfrieds Horn von der Höhe her.


WOGLINDE.

Ich höre sein Horn.

WELLGUNDE.

Der Helde naht.

FLOSSHILDE.

Laßt uns beraten!


Sie tauchen alle Drei schnell unter. Siegfried erscheint auf dem Abhange in vollen Waffen.


SIEGFRIED.

Ein Albe führte mich irr,

daß ich die Fährte verlor. –

He, Schelm! In welchem Berge

bargst du so schnell mir das Wild?

DIE DREI RHEINTÖCHTER tauchen wieder auf und schwimmen im Reigen.

Siegfried!

FLOSSHILDE.

Was schiltst du so in den Grund?

WELLGUNDE.

Welchem Alben bist du gram?

WOGLINDE.

Hat dich ein Nicker geneckt?

ALLE DREI.

Sag es, Siegfried, sag es uns.

SIEGFRIED sie lächelnd betrachtend.

Entzücktet ihr zu euch[798]

den zottigen Gesellen,

der mir verschwand?

Ist's euer Friedel,

euch lustigen Frauen

laß ich ihn gern!


Die Mädchen lachen.


WOGLINDE.

Siegfried, was gibst du uns,

wenn wir das Wild dir gönnen?

SIEGFRIED.

Noch bin ich beutelos;

so bittet, was ihr begehrt!

WELLGUNDE.

Ein gold'ner Ring

glänzt dir am Finger: –

DIE DREI MÄDCHEN.

Den gib uns!

SIEGFRIED.

Einen Riesenwurm

erschlug ich um den Reif, –

für eines schlechten Bären Tatzen

böt ich ihn nun zum Tausch?

WOGLINDE.

Bist du so karg?

WELLGUNDE.

So geizig beim Kauf?

FLOSSHILDE.

Freigebig

solltest Frauen du sein.

SIEGFRIED.

Verzehrt ich an euch mein Gut,

des zürnte mir wohl mein Weib.

FLOSSHILDE.

Sie ist wohl schlimm?

WELLGUNDE.

Sie schlägt dich wohl?

WOGLINDE.

Ihre Hand fühlt schon der Held!


Sie lachen unmäßig.


SIEGFRIED.

Nun lacht nur lustig zu!

In Harm laß ich euch doch:

denn giert ihr nach dem Ring,

euch Neckern geb ich ihn nie!


Die Rheintöchter haben sich wieder zum Reigen gefaßt.


FLOSSHILDE.

So schön!

WELLGUNDE.

So stark!

WOGLINDE.

So gehrenswert!

DIE DREI.

Wie schade, daß er geizig ist!


Sie lachen und tauchen unter.


SIEGFRIED steigt tiefer in den Grund hinab.

Was leid ich doch

das karge Lob?

Laß ich so mich schmähn?

Kämen sie wieder

zum Wasserrand,

den Ring könnten sie haben. –
[799]

Laut rufend.


He! Hehe! Ihr munt'ren

Wasserminnen!

Kommt rasch! Ich schenk euch den Ring!


Er hat den Ring vom Finger gezogen und hält ihn in die Höhe. – Die Rheintöchter tauchen wieder auf. Sie zeigen sich ernst und feierlich.


FLOSSHILDE.

Behalt ihn, Held,

und wahr ihn wohl,

bis du das Unheil errätst,

WOGLINDE UND WELLGUNDE.

das in dem Ring du hegst,

ALLE DREI.

Froh fühlst du dich dann

befrei'n wir dich von dem Fluch.

SIEGFRIED steckt gelassen den Ring wieder an seinen Finger.

So singet, was ihr wißt.

DIE RHEINTÖCHTER.

Siegfried! Siegfried! Siegfried!

Schlimmes wissen wir dir.

WELLGUNDE.

Zu deinem Unheil

wahrst du den Ring!

ALLE DREI.

Aus des Rheines Gold

ist der Ring geglüht:

WELLGUNDE.

der ihn listig geschmiedet,

WOGLINDE.

und schmählich verlor,

ALLE DREI.

der verfluchte ihn,

in fernster Zeit,

zu zeugen den Tod

dem, der ihn trüg.

FLOSSHILDE.

Wie den Wurm du fälltest,

WELLGUNDE UND FLOSSHILDE.

so fällst auch du,

ALLE DREI.

und heute noch:

so heißen wir's dir,

tauschest den Ring du uns nicht;

WELLGUNDE UND FLOSSHILDE.

im tiefen Rhein ihn zu bergen:

ALLE DREI.

Nur seine Flut

sühnet den Fluch!

SIEGFRIED.

Ihr listigen Frauen,

laßt das sein!

Traut ich kaum eurem Schmeicheln,

euer Drohen schreckt mich noch minder!

DIE RHEINTÖCHTER.

Siegfried! Siegfried!

Wir weisen dich wahr.

Weiche! Weiche dem Fluch!

Ihn flochten nächtlich[800]

webende Nornen

in des Urgesetzes Seil!

SIEGFRIED.

Mein Schwert zerschwang einen Speer: –

des Urgesetzes

ewiges Seil,

flochten sie wilde

Flüche hinein, –

Nothung zerhaut es den Nornen! –

Wohl warnte mich einst

vor dem Fluch ein Wurm, –

doch das Fürchten lehrt er mich nicht.


Er betrachtet den Ring.


Der Welt Erbe

gewänne mir ein Ring: –

für der Minne Gunst

miß ich ihn gern, –

ich geb ihn euch, gönnt ihr mir Gunst.

Doch, bedroht ihr mir Leben und Leib, –

faßte er nicht

eines Fingers Wert, –

den Reif entringt ihr mir nicht.

Denn Leben und Leib,

seht:


Er hebt eine Erdscholle vom Boden auf, hält sie über seinem Haupte und wirft sie mit den letzten Worten hinter sich.


so –

werf ich sie weit von mir!

DIE RHEINTÖCHTER.

Kommt, Schwestern!

Schwindet dem Toren!

So weise und stark

verwähnt sich der Held,

als gebunden und blind er doch ist!


Sie schwimmen, wild aufgeregt, in weiten Schwenkungen dicht an das Ufer heran.


Eide schwur er,

und achtet sie nicht!


Wieder heftige Bewegung.


Runen weiß er,

und rät sie nicht!

FLOSSHILDE, DANN WOGLINDE.

Ein hehrstes Gut

ward ihm gegönnt:

ALLE DREI.

daß er's verworfen,

weiß er nicht;[801]

FLOSSHILDE.

– nur den Ring,

WELLGUNDE.

– der zum Tod ihm taugt,

ALLE DREI.

– den Reif nur will er sich wahren!

Leb wohl! Siegfried!

Ein stolzes Weib

wird noch heut dich Argen beerben;

sie beut uns bess'res Gehör:

zu ihr!


Sie wenden sich schnell zum Reigen, mit welchem sie gemächlich, dem Hintergrunde zu, fortschwimmen. – Siegfried sieht ihnen lächelnd nach, stemmt ein Bein auf ein Felsstück am Ufer und verweilt mit auf die Hand gestütztem Kinne.


RHEINTÖCHTER.

Weialala leia,

Wallala leialala!

SIEGFRIED.

Im Wasser wie am Lande

lernte nun ich Weiber Art:

wer nicht ihrem Schmeicheln traut,

den schrecken sie mit Drohen;

wer dem nun kühnlicht trotzt,

dem kommt dann ihr Keifen dran! –


Die Rheintöchter sind hier gänzlich verschwunden.


Und doch, –

trüg ich nicht Gutrun Treu, –

der zieren Frauen eine

hätt ich mir – frisch gezähmt!


Die Rheintöchter werden aus größerer Entfernung nur gehört. – Er blickt ihnen unverwandt nach. – Jagdhornrufe kommen von der Höhe näher.


HAGENS STIMME von fern.

Hoiho!


Siegfried fährt aus einer träumerischen Entrücktheit auf und antwortet dem Rufe auf seinem Horne.


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 797-802.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Cleopatra. Trauerspiel

Cleopatra. Trauerspiel

Nach Caesars Ermordung macht Cleopatra Marcus Antonius zur ihrem Geliebten um ihre Macht im Ptolemäerreichs zu erhalten. Als der jedoch die Seeschlacht bei Actium verliert und die römischen Truppen des Octavius unaufhaltsam vordrängen verleitet sie Antonius zum Selbstmord.

212 Seiten, 10.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon