An Herren Veyras, Churf. Pfalzgr. Secretary

[116] Dein lob, so ich zu aller stund

von manchem lobbewehrten mund,

mein Veyras, williglich vernommen,

Vermehrte die begird in mir,

die ich zuvor lang hat, mit dir

in bessre kundschaft bald zu kommen,

Hab demnach kaum ersuchet dich,

daß du alsbald ganz freindlich mich

hast under deine freind genommen.


Kont also weder geiz noch lust,

wie sunst der brauch, in unsrer brust

ein solches feur der lieb anzünden,

Sondern der tugend eigne hand

mit ihrem tüchtig besten band[116]

must unsre herzen recht verbinden:

Und solches band ist so wehrhaft,

daß damit leichtlich die freindschaft

kan glück, zeit und tod überwinden.


Darum ich nu kühn von dir schreib

und auch in guter hofnung bleib,

du werdest dich gar nicht beschweren,

Wan ich durch dise schrift begehr,

mit meinem namen deine ehr

und deinen namen zu vermehren;

Indem ich anderst nicht thun kan,

weil ehren einen werten man,

ist gleich so vil, als selbs sich ehren.


Ich weiß wol, wie der götter gunst

dein haupt mit weisheit, tugend, kunst,

lehr und erfahrenheit gezieret:

Wie deine red, kunstreich und weis,

als des gemüts kraftreiche speis,

in allen herzen triumfieret:

Und wie des besten nektars kraft

und der kastalisch beste saft

von deiner federn distillieret.


Wan, wie Pythagoras gewolt,

man für unläugbar halten solt,

daß fremde seelen uns beleben,

So hielt die welt, halt ich, darfür

und wär auch gläublich, daß in dir

man seh nu jenen wider leben,

Dem, als er sehr jung sein ruh nam

die binen ihren honigsam

für seine erste speis gegeben.


Darum dir, solchem verdienst nach,

auch wegen ein und andrer sprach,

vil fürsten billich günstig bleiben;[117]

Und du (dieweil ja ihr anblick

und gnad kan als das beste glück

all sorg und forcht von uns vertreiben)

Thust recht zu ihr und deinem preis

gedenkwürdige werk mit fleiß

in ein und andrer sprach zu schreiben.


Ich meines theils, in dessen herz

der ehrgeiz weder sorg noch schmerz,

noch hofnung, noch auch forcht erwecket,

Besuch vil lieber das grün feld

und frische brünlein, stille wäld

und bäch, die noch kein thier beflecket,

Dan die palläst von marberstein

mit gold und andrer reichtum schein

gefüttert und mit blei bedecket.


Ja, so vil immer ich vermag,

flieh ich den pöfel, meine tag

wol mit den Musen zu volbringen,

Die lehren mich und ich lehr sie

auf neue weis mit süßer müh

ein gutes teutsches lied zu singen,

Und mit vor unerhörter prob

der helden und der Nymfen lob,

ja Amors ehr auch zu erklingen.


Wan der Homer, der den wein sehr

gelobt, weinsüchtig gwesen wär,

wie gleichwol ich nicht kan gedenken,

Gedenk doch du, mein Veyras, nicht,

daß, wan ich von dem wein auch dicht,

ich so gern sei bei dem weinschenken;

Dan wider meiner landsleut wohn

glaub ich, daß der Semelen sohn,

ohn maß, thu leib und seel bekränken.


So glaub ich, daß es auch gnug sei,

wan der poet ohn heuchelei

ein from und keusches leben führet,[118]

Obschon bisweilen sein gesang

mit frecher sprach und geilem klang

die ohren üppiglich berühret;

Ob es auch wol die loben nicht,

die Timon gleich von angesicht,

weil Epikur ihr herz regieret.


Jedoch ist es schon mehr dan gnug

weil ich schon hör und sih den flug

der lauten rappen, hetzen, krähen.

Darum, ihr Musen, eilet fort,

daß wir uns, in ein stilles ort

verstehlend, dem geschrei entgehen.

Du, Veyras, unsrer Musen ruhm

für einen kranz wirst diese blum,

hoff ich, zu nehmen nicht verschmähen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 116-119.
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