An den regierenden herzog zu Wirtemberg, H. Johan-Friderichen etc.

[18] 1614.


Die erste strophe.


Gleich wie ein patron, welcher lang

sein schif nach notdurft wol versehen,

oft pfleget in des ports ausgang,

erwartend guten wind, zu stehen,

Damit er mit beherzter hand

mög seine segel schnell aufziehen

und mutig von der armut fliehen

durch guten winds und glücks beistand:

Also will ich mich nicht bewegen,

o mein prinz, meine zuversicht,

bis ihr durch eurer hand vermögen[18]

mit einem klaren angesicht

die seglung werdet selbs auflegen.


Antistrophe.


Alsdan wan euer gnadenblick

die fahrt wird würdigen zu richten,

soll weder sturmwind noch unglück

durch die flut ihre reis vernichten:

Die zwillingklippen und das sand

und die charybdische gefahren,

die könden ihr, euch zuzufahren,

erzeigen keinen widerstand;

Sonder sie soll, kühn, euch zu ehren,

durch eurer tugend hohes meer

die segel mich forchtlos zu kehren,

ja durch der grösten feinde heer,

ganz sicherlich passieren lehren.


Epod.


Also kan der fürsten gunst

wan sie die phöbische saiten

übergüldet, schon mit kunst

ihr lob ewiglich ausspreiten.

Und der dunderende got,

sich zu retten von dem tod,

gab das gold den potentaten,

damit sie, den göttern gleich,

durch der Muselein wolthaten

kämen nicht in Plutons reich

wie gemeinen solds soldaten.


Die andre strophe.


Die helden streiten ja umsunst,

umsunst die helden triumfieren,

wan ihre namen als ein dunst

in kurzen jahren sich verlieren:

Es ist nicht gnug, der faust kühnheit

auf seines flüchtigen feinds rucken[19]

mit scharfem eisen aufzudrucken,

zu seines lobs unsterblichkeit:

Noch sich der tugend ganz ergeben,

wie, würdigster prinz, euer pracht,

und der vergessung widerstreben;

es ist allein der Musen macht,

euch unzugänglich zu beleben.


Antistrophe.


Auch kan das theuerste metall,

auch kan der marber ausgehauen,

ohn den dreimal gedreiten schall

nicht sehr lang seine stifter schauen.

Die reich trojanische palläst

und ihre mauren weit vermehret

sind nu so' gar zu nichts verkehret,

daß niemand weiß, wa sie gewest.

Die ritter wären all betrogen

um ihr bekante dapferkeit,

wa der poet mit süßen bogen

durch übermenschliche arbeit

sie nicht der Parzen hand enzogen.


Epod.


Daß derhalb kein undergang

euer lob und ehr bedecken,

sondern mit wachsendem schwang

sie sich mögen stets ausstrecken,

Ist nicht des golds schwacher schein,

noch der zeitförchtende stein

in der wolken weg zu setzen,

sondern euer aug und hand

die poeten muß ergetzen,

daß sie eure macht und stand

der unsterblichkeit einätzen.


[20] Die dritte strophe.


Ich nu das schlecht, das ich vermag,

erwählend euch ob andern allen,

mein herr, mein heil, euch jetz antrag

und hoff, es soll euch nicht misfallen.

Vil wolten gern durch ein gesang

ihr, mir gestolne, kunst erzeigen,

jedoch ihr stolz und lieder neigen,

ja sterben stracks in dem aufgang;

Ihr welsch geblasne wort ersticken,

alsbald sie der erfahrnen prob

(so ihr neid hasset) nur erblicken,

und ist ihr finger vil zu grob,

die dorische harf recht zu zwicken.


Antistrophe.


Wie aber solche reimerei

und solche lästerer nicht wehren

also die hohe poesei

kan, stets grün, nimmermehr verjähren.

O daß mich euer gnadenglanz

wolt freindlich fruchtbar überscheinen

und mich zu flechten wert vermeinen

für eure haar den lorberkranz!

So wolt ich mutig zu ergründen

der Musen weisheit, euch zu preis

schnell laufend, den berg überwinden

mit unnachthunlich schönem fleiß

und der nachfolger aug verblinden.


Epod.


So belieb euch gnädiglich

mich von sorg und forcht zu freien

und dan auch freigebiglich

gut und ehr mir zu verleihen;[21]

Dan die tugend und das gut

machen größer unsern mut.

alsdan dämpfend mein begehren

mit freigebig reicher hand,

sollen eure thaten wehren

als lang man in dem Teutschland

wird das volk teutsch reden hören.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 18-22.
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