An meinen freind H. Joachim Hübner

[206] Wie unterschidlich und ungleich

ist doch der sterblichen gefallen!

kaum kan von dem gewölkten reich

des himmels weißer staub abfallen

Und schier baumwollengleich die straß,

flüß, gassen, plätz mit eis und glas[206]

ganz überweißen und besetzen,

daß sich nicht vil darab ergetzen,

Die, göttergleich, mit klarem glanz

und klarem klang schnell dahin gleiten

in radlosreichem wagendanz

prachtierend für den schlechten leuten.


Vil ihrer person lob und wert

für andern weit herfür zu ziehen,

sich dan zu fuß und dan zu pferd

in ritterspilen gern bemühen:

Mit spieß und schwert in dem turnier,

bald mit der lanz in der carrier

sie all ausfordrend sich begeben

voll schweiß und stolz dem dank nachstreben.

Vil des leibs schand und des geists leid

verbergend prangen wie die pfauen,

da man dan bald in einem kleid

ihr ganzes erbgut kan beschauen.


Beredend sich, daß in der welt

nichts dem hofleben sich vergleichet,

daß zu hof nichts, dan gold und geld,

und man bei hof sich stracks bereichet,

Befinden sich vil tag und nacht

bei hof, als ob sie auf der wacht,

demütig die, bald jene grüßen,

bald schürflet dieser mit den füßen,

Sich neiget jener auf den grund,

und lächlend jederman fuchsschwänzet,

bis allen, zwar zu spat, wird kund,

daß gar nicht alles gold was glänzet.


Hie einer auf der hohenschul

will doctor oder kanzler werden;

dort einer auf dem predigstuhl

erhebet hoch sich von der erden,

Doch nur so hoch, daß er einmal

als bischof oder cardinal,[207]

ja bapst, got gleich, mög dominieren,

und andre, nicht sich selbs, regieren;

Ein andrer durch des pöfels gunst

wird burgermeister, vogt, verwalter,

und jener durch geld oder kunst

rentmeister, ratsherr, abt, verwalter.


Ein andrer, dessen engem mut

aus seinem land zu reisen grauet,

sein väterlich ererbtes gut

mit großer sorg und arbeit bauet;

Sein lust, wie seine müh, allein

ist, daß mit heu, mit korn, mit wein

er fülle scheuren, speicher, keller

und nicht verlier nur einen heller;

Ab diesem järlichen gewin

hat er ein solches herzvergnügen,

daß keines fürsten verspruch ihn

kan davon führen, ziehen, biegen.


Der kaufman seglend gegen haus,

wan wind und wellen sich erheben,

hat nu nicht so vil geiz, als graus,

weil schif, mast, ruder, grundbaum beben:

Sein herz voll forcht, voll klag sein mund

geloben beed in böser stund,

daß das best leben das landleben,

dem will er sich nu ganz ergeben.

Jedoch komt er kaum an das land,

daß sein gelübd er stracks vernichtet

und, weil armut sein gröste schand,

sein schif bald wider neu zurichtet.


Dem aber ab des meers unruh

und andern wassern sunst mag grausen,

der liebet mehr in freud und ruh

die zeit mit brüdern zu verbausen:[208]

Und fliehend arbeit, müh und streit

verdrinket er die süße zeit:

nein, sondern nicht schnell zu veralten

will er die liebe zeit aufhalten;

Aufhaltend becher oder glas

wird er ein freier bossenmacher

und sitzend in dem grünen gras

erfrischet ihn der Bacharacher.


Vil, denen der trometen klang,

der mit dem drummenschlag vermischet,

ab welchem mancher mutter bang,

das blut mit mut und wut erfrischet,

Mit krieg erquicken ihre brust

und in dem läger ist ihr lust,

ihr sinn, als dapferer kriegsleuten,

ist, ruhm, ehr und gut zu erbeuten:

Sie suchen mit list oder macht

zu sigen und zu triumfieren,

bis sie zuletzt die schanz und schlacht

und zugleich leib und seel verlieren.


Ein andre mühsame kurzweil

gebrauchet jener, der gern jaget,

indem er oft in schneller eil

sein bet verlässet, eh es taget.

Ja manche lange nacht und tag,

weil er sein weib, in leid und klag,

sich streckend, lässet allein schlafen,

ihn oft frost, hitz, schnee, regen strafen.

Er achtet weder lieb noch pein,

dem wild mit vortheil nachzustellen

und einen hirsch, reh, wolf, wildschwein

durch die hund oder strick zu fällen.


Mir, ob ich meine jugend schon

nicht aller eitelkeit beraubet,

hat sie doch keinen süßern wohn,

dan in der Musen lieb erlaubet;[209]

Dan mit der kindheit ich zugleich

was andern lieblich, köstlich, reich,

ja, des hoflebens pracht und prassen

und auch des pöbels lieb verlassen:

In manchen sprachen hab ich bald

die poesi mit lust geübet

und ihrenthalb den grünen wald

mehr, dan palläst und stät, geliebet.


Durch sie bin ich in dienst ganz frei,

nach arbeit sie mich bald erlabet,

krank ist sie mir die best arznei,

in leid sie mich mit trost begabet.

Ja, Hübner, wan ich dein gericht

und mein gemüt durch mein gedicht

geistreich und geistlich kan erquicken,

kan mich kein könig mehr beglücken.

Dan meinen geist der psalmen klang

so hoch erhöhet und ergetzet,

daß er mit götlich purem schwang

wird in das firmament gesetzet.


Die Uebersendung

Freind, dessen götlicher verstand

durch deine große lehr und tugend

erquicket schon dein vatterland,

als ob du alt in deiner jugend,

Weil ich weiß, daß dir mein gedicht

mit unverwürflichem gericht

beliebet lobend zu bewehren,

begehrend billich dich zu ehren,

Hab ich dir dises alt gesang

neu auszuschmieden mich geübet,

verhoffend, daß was ich ohn zwang

alt oder neu sing, dir beliebet.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 206-210.
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