Drinklied

[161] Auch aus dem Anakreon.


Wer ist doch immer so geschossen,

daß ab dem lieben rebensaft,

der unsers herzens trost und kraft,

er unwürsch sein solt und verdrossen?


Dan was kan doch ohn drinken wehren?

und ist nicht unter dem gedrank

der wein das best, mit lob und dank

vor allem, was naß, hoch zu ehren?


Besehet doch, freind, wan es regnet,

wie durch den starken regenguß,

bisweilen auch durch einen fluß

das erdreich sich voll saufend segnet.
[161]

Die kräuter und gewächs der erden,

ja alle bäum auch, klein und groß,

verschmachten trostlos und fruchtlos,

wan sie nicht oft bezechet werden.


Den durst die thier und vögel stillen

nach lust mit wollust, und die fisch

die suchen stets was naß und frisch,

damit begirig sie sich füllen.


Das meer will auch den rausch nicht fliehen,

sondern es pfleget ohn ablaß

breit tiefe flüß und bäch ohn maß

garaußend in den wanst zu ziehen.


Ist es dan durch den drunk getroffen,

so fanget es ein wesen an,

als ob es auch wolt jederman

ersäufen, weil es selbs besoffen.


Und warum fallen oft zu haufen

die tobend-brausend-laute wind?

weil sie, zu bausen sehr geschwind,

das meer gern wolten gar aussaufen.


In dem meer und in allen bronnen

die sonn selbs löschet ihren durst,

und der mon wär schon ein bratwurst,

wan er nicht yoll würd von der sonnen.


Drum soll uns fürhin niemand wehren,

wan nichts will unbesoffen sein,

auch mit einander bei dem wein

frolockend tag und nacht zu zehren.


Dan wer unwürsch ist und verdrossen

ab diesem guten rebensaft,

der unsers herzens trost und kraft,

der ist (zwar nüchtern, doch) geschossen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 161-162.
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