Eine schöne Bettlerin

[302] Als von mir eine frau, von gottes reicher hand

mit größerer schönheit, dan hab und gut, verehret,

mit fliegend schönen haar und lumpechten gewand,

um got in ihrer not ein stücklein gelds begehret:

Empfand mit andern ich, daß ihrer augen brand

vil mehr, dan ihre bit, mit lieb das herz versehret,

und ihr haupt, aug und leib sich (ihrem armen stand

zuwider) einen schatz unschätzlich reich vermehret.

Darum, o reiche frau, sprach seufzend ich zu ihr,

was bettlet diser mund, der würdig, zu befehlen?

und dessen reichtum mich arm machet gegen dir?

Dan weder rubin ihm, noch reine perlein fehlen,

und das gold deines haupts will, daß selbs (bettler) wir

uns deiner freindlichkeit und lieb miltreich befehlen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 302.
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