Erklärung an etliche canzleiherren

[134] 1615.


Ihr herren, damit ich ja euch

nenn eben gleich

wie günstig ihr euch selbs intitulieret,

ihr, deren grob verderbtes blut

sich, gleichsam ab des fiebers wut,

ab meiner schrift erhitzet und gefrieret.


Ihr mischet teutsch, welsch und latein,

doch keines rein,

weil eure kunst ihr nicht gern wolt verhehlen,

und sprechet mit zu weiser schmach,

daß ich verderb die teutsche sprach,

weil fremde wort ich nicht, wie ihr, mag quälen.


Zwar wan man ja welsch reden soll,

so müst ihr wol,[134]

daß besser ich, dan ihr, es red, gestehen;

kan also auch ein blinder tropf

nicht so vil witz in euerm kopf

als neid und haß in euern herzen sehen.


Demnach dan euers hirns gefahr

so offenbar,

warum solt ich in versen euch bedenken?

wär ich nicht kränker selbs, dan ihr,

und auch ein vernunftloses thier,

wan ich euch wolt mit schriften mehr bekränken?


Nein. Euer argwohn ist umsunst

und nur ein dunst,

der euch das hirn, so vorhin schwach, verletzet.

ich wär wie ihr, wan ich die hand,

für oder wider eure schand

zu schreiben, nur auf das papier gesetzet.


Dan würden alle weisen nicht

bald das gedicht,

das euch fuchsschwänzen wolt, verlachen?

wie dan euch schelten, wär auch kaum

ein weisers werk, dan einen baum,

der dürr und faul, noch fruchtbar wollen machen.


Wan ich die zeit schadlos vertreib

und frölich schreib,

so schreib ich doch nicht an, für, noch von allen,

und meine vers, kunstreich und wert,

die sollen denen, die gelehrt,

und nur, hoff ich, verständigen gefallen.


Zu köstlich und zu rein und frisch

für euern tisch

und magen seind die trachten meiner schriften;

den bauren taugt ein hafenkäs,

die pomeranzen seind zu räß,

damit sie sich wol förchten zu vergiften.
[135]

Ich will nicht die torechte müh,

so ich alhie,

jemals von euch zu schreiben ferners haben;

darum so gebt euch nu zu ruh,

ich sag euch bei den Musen zu:

von euch schreib ich kein einigen buchstaben.


Auch mir gebührt es freilich nicht

durch ein gedicht

euch, herren, euch und euer lob zu singen,

sondern dem der in hungersnot

mit starker stim ein stücklein brot

für euerm haus verhoft davon zu bringen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 134-136.
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