Horatianisch

[62] Gesprächsweis.


Ph.


Alslang mir dein herz war kund

und dein süßer rosenmund

niemand, dan mich, wolt erlaben,

war ich selig und so reich,

daß ich, könig in Frankreich

zu sein, nicht gewünscht wolt haben.


S.


Alslang ich dir so lieb war,

daß dich meine krause haar

hielten stark allein gefangen,

kont mich, meinen süßen stand

nicht mit der kron Engelland

zu vertauschen, je verlangen.


Ph.


All mein glück war, daß ich sah

wie dir liebers nichts geschah,

dan sich herzlich umzufangen,

und daß meiner arme band

war das angenehmste pfand

das um deinen hals kont hangen.


S.


All mein glück war, daß ich wust,

daß dein herz in meiner brust[62]

und in keiner sunst losieret,

bis ich jetz, gleichwol spat, spür,

daß die schwarze Phillis mir

solches listiglich entführet.


Ph.


Wiewol es zwar nicht gar ohn,

daß die Phillis nicht wie rohn

und an schönheit dir mag weichen,

bist du doch an freindlichkeit

und an süßer üppigkeit

ihr villeicht nicht zu vergleichen.


S.


Ob es wol nicht ohn mag sein,

daß sich Ladon nicht so fein

kan in allen sachen stellen,

ist doch seine sitsamkeit

nicht wie deine fertigkeit

durch ein andre lieb zu fällen.


Ph.


Ob wol auch die Phillis nicht

lobet mich in mein gesicht,

brenn ich doch, um sie zu werben,

und wan ich hör ihr gesang

wünsch ich, damit sie leb lang,

daß ich oft für sie mög sterben.


S.


Ob wol auch der Ladon nicht

durch poetisches gedicht

mein lob, wie du, kan beleben,

sitzt er doch so wol zu pferd,

daß für ihn, so lieb und wert,

ich mich in den tod wolt geben.


Ph.


Wie, wan ich ohn heuchelei

wider mich ergib, getreu[63]

mich in deinem dienst zu üben

und sunst keine dan dich preis,

wilt du mich nicht gleicherweis

wider, und ihn nicht mehr, lieben?


S.


Wiewol er so hübsch und groß,

wiewol du so geduldlos,

daß dich manche ding verdrießen;

jedoch, wa dir ernst mit mir,

wünsch ich mehr nicht, dan mit dir

ganz mein leben zu beschließen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 62-64.
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