Klag etlicher, so von hof abschieden

[124] Demnach des glücks zorn gar schwer,

welchem niemand kan entfliehen,

ernstlich uns gebeut numehr

fort von diesem hof zu ziehen,

diesem hof, alda allein

lieb, gunst und wohn stets unser herz besessen;

so muß es wol, leider! sein,

wir müssen sie verlassen, nicht vergessen.
[124]

Ja wol wir verlassen sie,

aber an stat aller freiden

muß auch pein, angst, schmerz und müh

fürhin nicht mehr von uns scheiden;

unsre herzen ganz getreu

verlassen wir den göttinnen ergeben

uns soll Amors tyrannei

hengegen mit verdruß und qual beleben.


Ade, unsrer seelen hort,

ihr stets blühend frische rosen!

ade, süße lebenswort

die den göttern selbs liebkosen!

ade, keusche liebesblick,

ohn euern schein, förcht ich, wir bald verblinden!

ade, krause liebesstrick,

von welchen kaum der tod uns soll entbinden!


Ade, der welt wahre zier,

schönste Nymfen dieser erden!

göttin, die nach der gebühr

von uns hoch geehret werden!

elend seind wir, weil wir euch

verlieren von gesicht mit solchen schmerzen:

selig seind wir, wan zugleich

ihr auch nicht uns verlieret aus dem herzen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 124-125.
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