Lust und vergnügen in der pein

[128] O wie süß seind meine schmerzen,

die ich ihrenthalb ertrag,[128]

weil sie mild in ihrem herzen

nu empfindet gleiche plag,

und dieweil sie mit freindlichen anblicken

versehret vil und will nur mich erquicken.


Meiner augen leid vermehret

meines herzens große brunst:

ich sih, daß ihr herz versehret,

wol bei ihrer augen gunst;

dieweil ihr glanz mit lieblichen anblicken

will strafen vil und nur mein herz erquicken.


Diese stern zu allen stunden

zeigen sich so freudenreich,

daß sie nah und fern verwunden

dem cephalischen pfeil gleich;

sie könden auch mit kräftigen anblicken

auf einmal gleich versehren und erquicken.


Darum muß die welt bekennen,

o ihr augen, der welt pracht,

daß, wa eure facklen brennen,

da wird es niemalen nacht.

und daß ihr könt mit seltsamen anblicken

des menschen herz betröwen und erquicken.


Mein herz mag sich wol ergetzen,

wan es findet euch so klar,

ehrend euch als seine götzen

auf dem schönesten altar;

vor dem bit ich, daß mit liebreichen blicken

ihr wollet mich und niemand sunst erquicken.


Ich bit euch, nicht zu verschmähen

mein herz für ein opfer schlecht,

euch verbrennend anzusehen,

Phönix gleich, in lieb gerecht;

als den der schein so lieblicher anblicken

kan tödtend bald mit freud widrum erquicken.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 128-129.
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