Stumme red der lieb

[55] Wan, Myrta, reden und stillschweigen

zumal verhindert unser glück,

so laß uns unser herz bezeugen

durch sich besprachende anblick;

dan Amor, den wir allzeit ehren,

wird solche stumme sprach uns lehren.


Laß die anblick hin und her fliegen,

getreue boten deiner gunst,

der neider torheit zu betriegen,

die doll und dölpisch zu der kunst,

dan Amor, welchen sie nicht ehren,

wird sie die stumme sprach nicht lehren.


Solt aber jemand sich verdrießen

ab unsrer lieb anblicken fahrt,

so müssen wir uns dan begrüßen

mit dem geist, nach der engeln art;

dan Amor, welchen wir stets ehren,

wird solche stumme sprach uns lehren.


Und also wöllen wir betriegen

der falschen schwetzer müh und leid

und doppelt uns nach lust vernügen

in ihrem neid und unsrer freud;

weil sie, torecht, Amorn nicht ehren,

wird er sie dise sprach nicht lehren.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 55-56.
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