Unbestand bringt unbestand

[57] Sie, welche ich so lang geehret,

weil ich ihr lieb standhaft gedacht,

hat durch ihr untreu ihren pracht

und meiner hofnung freud zerstöret.

»jedoch glückselig ist die pein,

dadurch ein buhler weis mag sein.«


Sie, die ihr angesicht zu feuchten

nur meinetwegen allzeit schwur,

die lasset, als ein andre hur,

für andre ihre augen leuchten.

darum haß ich auch ihren schein,

»dan schön ist nichts, was zu gemein.«


Wie oft hat fälschlich sie geschworen,

daß ihr herz von betrug ganz frei;

da doch ihr wort, eid, lieb und treu

nu zumal in dem wind verloren.

und jetz bezeuget mein verdruß

ihr große schand und meine buß.


Doch mein verdruß kan nicht lang wehren,

weil ihr torechter wankelmut

erst kam nach übergebnem gut

und nach dem hinflug ihrer ehren.

»zu spat und umsunst ist die flucht,

wan man behaftet mit der sucht.«


Ich kan zwar und will nicht verneinen,

daß ihr fürtrefliche schönheit

beraubte mein herz der freiheit

mit kosen, küssen, klagen, weinen:

nu aber scheidet meine reu,

wie billich, die lieb und untreu.
[58]

Ich war ihr herz, ihr trost, ihr leben,

sie war die göttin meiner brust;

jetz hab ich bei ihr keinen lust,

will auch ihr keine freud mehr geben.

ihr unbestand und mein verstand

verlöschen Amors süßen brand.


Und ob sie schon wolt wieder schwören,

als ob ihr mein verdruß sehr leid,

so soll mich doch kein neuer eid,

wie hoch und süß er auch, bethören.

»ein doppelt leichtfertiger fehl

ist allzeit bös für leib und seel.«

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 57-59.
Lizenz:
Kategorien: