Von dem neuen garten zu Stuttgart

[87] 1615.


Kanst du glückseliger wol sein,

o du gesegnet schöner garten?

du darfest auf den sonnenschein

nicht wie sunst andre gärten warten,

dan deiner eignen sonnen glanz

kan dich und die gewächs erlaben,

und deine gäng, stöck und bäum ganz

mit gnug bequemer zeit begaben.


Der frühling ihres angesichts

kan dich mit gilg und rosen zieren,

daß dir an blumen mangle nichts,

wan schon all gärten sunst gefrieren:

so wird dein grund mit grünem lust,

wa sie nur ihren fuß hinsetzet,

wie deine zweig und äst mit blust

und frucht durch ihre hand, ergetzet.


Und sie in dir macht, daß ab dir

sich himmel, luft und erd erquicken

und daß du, aller gärten zier,

sie all mit blumen kanst beglücken;

ja, wan sie, aller blumen ruhm,

was in dir wachset will betrachten,

kan man kaum gegen solcher blum

wie gras all deine blumen achten.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 87-88.
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