Von seiner lieb und ihrer rauheit bestand

[222] An schön und rauheit kan man euch,

o Myrta, keine Nymf vergleichen:

an lieb ist mir auch keiner gleich

und an treu will ich keinem weichen:

dan herzen haben wir von stein,

wie, Myrta, mäniglich mag sehen;

ich, auszustehen solche pein,

ihr, meine pein nicht zu verstehen.


Dan wir ja längst ohn widerstand

beed weichend wären überwunden:

ihr, Myrt, von meiner lieb bestand

ich von unzählich schweren wunden:[222]

also, daß die selbs stöck und stein,

die zu halsstarrig uns nicht sehen,

mich, auszustehen solche pein,

euch, solche pein nicht zu verstehen.


Ganz steinin ist gewiß mein herz,

gequälet stets euch stets zu lieben;

das eurig auch, dieweil mein schmerz

euch, gnadlos, gar nicht kan betrüben:

also muß man uns beede stein,

ja harte felsen sein wol sehen,

mich, wegen großer lieb und pein,

euch, meine pein nicht zu verstehen.


Ich hab beständig meine treu

alsbald ich euch sah, euch geschworen:

bei euch, beständig stolz und frei,

ist all mein leid und lieb verloren:

daß also ich an treu ein stein

und ihr an stolz ein fels zu sehen:

ich, ohn ablaß so schwere pein,

ihr, ohn leid mein leid auszustehen.


Wan dan, o fels an härtigkeit,

mein weinen euch nicht kan erweichen:

wan ich fels an beständigkeit

durch undank nicht kan tods verbleichen;

so seind wir ja zween harte stein,

ich, solche marter auszustehen,

ihr, eure macht und meine pein

und unsern verlust nicht zu sehen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 222-223.
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