Vorrede an seine Liebste

[290] Ich dicht, ich sag, ich sing: ach nein! ich seufz, schrei, klag

die lieb, das leid, damit mein junges herz gestritten,

verlierend allen trost und hofnung mit dem tag,

verwundet durch und durch endlich den tod erlitten.

Kein soldat in der schlacht und grösten niderlag

war jemals, als mein herz, zerhacket und zerschnitten,[290]

und bittend um quartier kont ich weder vertrag,

noch meiner feindin gnad erbeuten noch erbitten.

O greuliche schönheit, die mit ernst oder scherz,

nach euerm eignen lust, den seelen widerstrebet,

erkennet doch wie groß euer stolz und mein schmerz!

O die ihr, wan ihr wolt, den tod, das leben gebet,

verleihet, daß durch euch, weil ja durch euch mein herz

getötet, mein gesang hingegen werd belebet.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 290-291.
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