Zu lob Herren Carln Marggrafen zu Baden

[99] Die allernotwendigste reis,

die ein fürst billich soll verrichten

ja die reis, deren müh und schweiß

einbringet nichts dan gute früchten:

Die treflichste reis in der welt,

da man einbüßet weder geld

noch zeit, die reis, die stets gedeihet,

und die reis, deren uns nicht reuet,

Ist die reis zu dem vesten schloß,

darinnen selbs die tugend wohnet,

die alle pilger klein und groß

mit, was sie wünschen, gern belohnet.


Anfänglich zwar, dieweil der weg

uneben, eng, gäh, ungebahnet,

wird man verdrüßig, müd und träg

besonders so uns niemand mahnet:

Oft auch bethöret der wollust

gleich eingangs eines jünglings brust,

daß seine reis er nicht vollendet

sondern (zwar nicht ohn scham) umwendet.

Der aber, so (standhaft und klug)

den ersten hügel nur ersteiget,

der sihet trosts, lusts und guts gnug,

so seine wolfahrt ihm bezeuget.


Dann er bald kommet in das reich,

da eine königin regieret,

die schön, allmächtig, weis und reich

ihn gern mit ihrem orden zieret.

Gotsforcht ist sie bei uns genant,

all andre tugenden bekant,

dadurch die menschen sich erhöhen,

die halten all von ihr ihr lehen.[100]

Wer nu gehorchet ihrer lehr,

der wird bald seiner müh ergetzet

mit unvergänglich großer ehr

selbs in der götter reich versetzet.


Sie, aller helden höchste zier,

hat bei ihr andre fräulein wohnen,

und tragen sonderlich noch vier,

als königinnen, reiche kronen:

Sie heißen Weisheit, Dapferkeit,

Gerechtigkeit und Mäßigkeit;

ein jede kan dein herz erlaben

mit reichtum ehr und lob begaben.

Und noch ein andrer Nymfen hauf

die an gestalt und geist vollkommen,

den königinnen warten auf,

und denen, die zu ihnen kommen.


Glaub, Warheit, Treu, Freigebigkeit,

die welche nichts jemals verdrießet,

Lieb, Demut, Gnad, Beständigkeit,

und die, so jederman begrüßet,

Und noch vil andre fräulein mehr,

fürtreflich schön und deren ehr

nicht kan betrügen noch veralten

und darum billich hoch zu halten

Empfangen freindlich ihre gäst,

tractieren, underhalten, lehren,

erquicken sie auch auf das best,

daß sie nichts weiter zu begehren.


Der lieblichen Alcmenen sohn

hat, kühn, erlanget diesen orden,

darum er auf der götter thron

zu sitzen würdig erkant worden.

O daß in disem weiten kreis

den jungen herren dise reis[101]

vor andern reisen möcht gefallen,

dan sie auch nütz vor andern allen;

Sie würden mehr freind, ruhm, freud, lob,

dan wirt, reu, leid und spot erwerben,

und endlich nicht betrogen grob

wie sunst gemeine leut absterben.


Nu dise schöne reis hast du,

o prinz Karl, schon langst angefangen,

bist auch der eitelkeit und ruh

numehr mit ehren weit entgangen:

Zwar hat der natur milde hand

dich mit so götlichem verstand,

kunst und fürsichtigkeit gezieret

und fort auf dieser reis geführet:

So gibt der himmel dir die gnad,

daß du, zu seiner freinden frommen,

so jung noch auf der tugend pfad

den alten sehr weit fürgekommen.


Also dein leben ist dein preis,

und dein preis ist wahr und dein eigen:

fahr du nu mutig fort und weis

noch andern diesen pfad zu zeigen,

Wie man nicht soll aus einem saal

ein alt und langgemalte zahl

der alten helden, frech, entlehnen,

sich fälschlich damit zu beschönen:

Sondern wie man durch eigne kraft

so der vorfahren folgend leben

und also der nachkommenschaft

zu leben ein exempel geben.


Es fehlet ja derjenig weit

und ist auch nicht für klug zu achten,

der großer helden werk allzeit

nicht nachzufolgen wolt betrachten.

Darum fahr fort mit starkem mut

zu folgen dem, aus dessen blut

du, Karl, glückselig bist entsprossen,

fahr fort und sei stets unverdrossen;[102]

So wirst du, wie du bist, fürhin

lieb sein dem himmel und der erden,

ja, glaub mir, daß auch dich wie ihn

die götter selbs stets loben werden.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 99-103.
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