Dritter Auftritt

[7] Die Vorigen, Opku mit Walter.


DESSALINES.

Nur näher Franke, näher, fürchte nichts.

WALTER kalt.

Ich fürchte nichts.

DESSALINES stolz.

Du stehst vor Dessalines.

WALTER.

Ich kenne Dich.

DESSALINES.

Der Dich vernichten kann.

WALTER.

Nur morden.

DESSALINES heftig.

Ha! – Du kennest Dessalines

und zitterst nicht?

WALTER.

Und zittre nicht

DESSALINES.

He Wache!


Die Offiziere treten vor, und umgeben ihn.
[7]

DESSALINES.

Wie steht es nun?

WALTER ruhig.

Noch zitt're ich nicht.

DESSALINES.

Ich kann Dich tödten –

WALTER.

Ich kann ruhig sterben.

DESSALINES.

Ha, weißer Hund, was hält mich noch zurück?

WALTER.

Die Eitelkeit – Du bist noch nicht gemahlt.

DESSALINES geht heftig auf ihn zu, dann bleibt er vor ihm stehen, und sieht ihn an.

Du hast ein scharfes Aug', es dringet tief.

WALTER.

Doch tiefer dringt Dein Dolch, mach es nur kurz.

DESSALINES.

Ha – jetzt versteh ich Dich, – Du willst mich reizen,

Du möchtest gern von meinen Händen sterben.

Fürwahr, ein schöner Tod, er ehrte Dich.

Doch wandelt mich die seltne Laune an,

Dir Deine stolze Sprache zu verzeih'n.

Du bist kein Franke, nein Du bist –

WALTER stolz.

Ein Deutscher

DESSALINES.

Dacht ich es doch, die haben nie viel Worte –

WALTER.

Und schmeicheln nicht[8]

DESSALINES.

Das hast Du mir gezeigt.

Doch wenn der Deutsche auch nicht schmeicheln kann,

vermißt man es doch ungern bey dem Mahler.

Getrau'st Du Dich den Dessalines zu treffen?

WALTER keck.

In jedem Sinn

DESSALINES.

Nur in dem Einen Sklave.


Zu Opku.


Der weiße Hund führt einen kecken Pinsel.


Zu Walter.


Du sollst mich mahlen, und dafür will ich

Dir Leben, ja wohl gar die Freiheit schenken,

wenn Deine Kunst sich an dem Bild erschöpft,

wenn Deine Hand, den Geist der in mir lebt

auf todte Leinwand sprechend zaubern kann.

WALTER lächelnd.

Ob ich es kann?

DESSALINES.

Sprich, warum lächelst Du?

WALTER.

Weil noch kein Spiegel Dich so wieder gab,

wie meine kecke Hand Dich zeichnen würde.

DESSALINES.

Ja, stolz und keck, so denk ich mir das Bild,

daß jede Muskel meine Macht verkünde.


Sinnt nach.


Du stellst gebietend mich auf einen Hügel

im Thale Menschen –

WALTER.

Die Dein Fuß zertritt!

DESSALINES heftig.

Zertreten kann, wenn sie sich mir nicht beugen.[9]

WALTER.

Der Tiger muß die Kraft im Würgen zeigen.


Mit Feuer.


Komm! Phantasie, vollende mir dies Bild,

o mahl' das Schrecklich mit wildem Feuer!

Der Deutsche braucht Verstellung nicht als Schild

und selbst im Tod ist ihm die Wahrheit theuer.

Ja, Du stehst hoch, auf einem Wall von Leichen,

wer könnte Deine Größe je erreichen?

Wer späh't wie Du nach Raub und Mord umher?

Bald wird es still, und öde um Dich her.

Gewitter thürmen sich im Hintergrunde,

ein Blitz zeigt Dir, wo sich noch Leben regt,

der Hölle Furien sind mit Dir im Bunde,

Du würgst und wüthest, bis kein Herz mehr schlägt –

Ha – das ist Dessalines – ihr müßt ihn kennen,

ich brauche seine Thaten nur zu nennen.

DESSALINES.

Wie, frecher Sklave – Du erkühnst Dich –

WALTER.

Vor meinem Tod die Wahrheit Dir zu sagen?

Ja, das erkühn' ich mich als deutscher Mann.

Verwahre wohl dies Bild, es ist getroffen.

mit andern Farben mahlt Dich Walter nicht.

Sein Ruhm ist ihm zu lieb, die Kunst zu heilig,

als daß er sie durch Dich entweihen sollte,

und Dessalines die letzte Arbeit wäre.

Verheere, wüthe fort, dann mahlt man Dich

wie man den Tiger in die Ferne sendet,

daß jeder ob dem Ungethüm erstaune,

das ihm der heim'sche Boden nicht erzeugt.[10]

Durch meine Kunst sollst Du nicht länger leben,

sie darf das Große nur der Nachwelt geben.

DESSALINES.

Ha Julia – hörst Du das weiße Volk

wie es im Tode meine Macht verspottet?

O ihr seyd reif, nicht einer soll entrinnen,

Du gehst voran. – Ha, Wachen, tödtet ihn.

WALTER mit Feuer.

Ja – tödtet mich, genug hab' ich gelebt.

Nach Wahrheit hab' ich in der Kunst gestrebt,

und wahr bin ich als deutscher Mann geblieben.

Hinauf den Blick, wo sich die Menschen lieben –

Hier baut das Laster sich den Erden Thron –

dort findet erst die Tugend ihren Lohn.


Geht stolz ab.


DESSALINES ruft wüthend vor die Thür.

Auf! stoßt ihn nieder – haltet – martert ihn.

Zu spät – zu schnell war ich – er blutet schon.

He, Wachen – zeigt der weiße Hund noch Leben?


Einer von der Wache tritt unter die Thüre und sagt.


SOLDAT.

Nein Herr, ich traf ihn gut – er ist dahin.

DESSALINES.

O daß er nicht noch da steht wie zuvor,

daß ich auf neue Martern sinnen könnte.

Wo warst du, Dessalines, als er so sprach,

wie noch kein Wort, kein Laut dein Ohr berührte!


Zu Goffier und Opku.


Ihr Memmen, und ihr hörtet es mit an?

Ihr ließet so den großen Mann beschimpfen?[11]

GOFFIER.

Der Gräul empörte mich, ich stand gelähmt,

erstaunt, daß es ein Sterblicher gewagt

dich Abglanz alles Großen so zu reizen.

DESSALINES.

Ha – reizt mich nur – der Eine ist dahin,

doch hundert andre kann ich marternd schlachten.

Die weiße Farbe rotte ich hier aus,

ein schwarzes Haupt soll herrschen und regieren,

die eigne Kraft das freye Land beschützen

und sollt' in Strömen ich noch Blut verspritzen!


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 7-12.
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