[38] Die Vorigen, ohne Klara.
MUTTER steht auf.
So hat sich meine Ahnung denn erfüllt!
Ein Glied ist von der Kette losgerissen
die unser gutes Glück so emsig wand,
so fest umschlang – und dennoch mußt es brechen.
Doch sieh'! Da wein' ich wieder! – Fort ihr Thränen
Nun gilt es hohen Muth und Männer Sinn![38]
Verstummen müssen unsre bangen Klagen,
wir müssen alles uns zu retten wagen.
HORTENSIA.
Wie, Mutter! fürchtest Du –
MUTTER.
Wir müssen fort;
Ich fürchte alles von den wilden Horden.
Das Volk ward Richter, Henker, und mißbraucht
fast immer seine Macht, und schändet sie
wenn rohe Wuth die Unverständ'gen treibt.
Ein blutend Haupt erhöht die Nachbegier;
Ein Mord reizt zum Verstümmeln, zum Zerfleischen
und in den Menschen zieht der Tieger ein.
Drum fort von hier – wer hat für uns hier Leben
da der ermordet ist, der es Euch gab;
Im Grabe liegt er – alles ist verloren!
Fort in ein Land, wo es noch Menschen giebt,
wo man den Unterdrückten schützt und liebt.
HORTENSIA.
Ja, Mutter, fort – führ' uns in dieses Land.
MARIE.
Und bald, o bald, denn auch mir grauet hier.
MUTTER.
In Frankreich leben uns noch gute Menschen,
verwandtes Blut schlägt freudig uns entgegen,
dort kann ich in der Schwester Arm Euch legen;
Ich kann Euch wieder froh und glücklich sehen
und wohlgemuth zu Eurem Vater gehen.
BEIDE MÄDCHEN.
O, Mutter, führe und dahin –[39]
MUTTER.
Der Tag bricht an.
Ich sende nach dem Hafen, ob ein Schiff
zur schnellen Abfahrt dort bereitet liegt,
es nimmt uns mit –
BEIDE MÄDCHEN hoffend.
Ja, ja, es nimmt uns mit.
MUTTER.
Verzagt dann nicht, wenn auch die Wellen toben,
der Sturmwind heult, und Mast und Nuder bricht,
dem Grimm der Menschen sind wir doch enthoben
und freudig schweben wir zum schön'ren Licht.
Dort winkt die Palme dem, der hier geduldet,
nicht übermüthig seine Qual verschuldet.
Muth, Kinder, Muth! wenn uns die Menschen hassen,
Gott ist mit uns – er wird uns nicht verlassen.
BEIDE MÄDCHEN.
Nein – er verläßt uns nicht, er ist mit uns.
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