Sechster Auftritt

[75] Dessalines Haus. Großer Saal.

Dessalines, Julia, Goffier, Opku.

Dessalines kommt durch die Mitte mit großem Gefolg, und sagt zu einigen Pflanzern.


DESSALINES.

Schon gut, schon gut, macht mir den Kopf nicht warm,

ich kann nicht allen helfen, alle hören.

Bringt alles schriftlich, hört ihr? und das bald.

Auch stellt Euch oft vor meiner Thüre ein;

ich habe mehr zu denken, als an Euch,

seh ich Euch oft, – erinn're ich mich wohl.

Bedenkt, daß unsre Freiheit, kaum geboren,

noch in der Kindheit ist – sie werde Mann.

Dann kommt und sehr was Dessalines gethan.[75]

Jetzt könnt ihr gehn.


Die Pflanzer und Offiziere ab.


Wo bleibet Diakue?

GOFFIER.

Schon eilt ein Offizier mit dem Befehl –

DESSALINES höhnisch.

Ein Offizier? Er eilt? Mach mich nicht lachen!

Ihr seid Insekten, könnt nur kriechen, schleichen;

Der träge Leib gehört der Erde an,

nur Dessalines ist es der höher strebt,

O selten wird ein großer Mann geboren,

und eine Löwenheerde sah man nie.

JULIA.

Zum Heil der Menschheit: denn sonst würde bald

Die schöne Schöpfung nur ein ödes Grab;

weil Großes nie das Große nahe duldet.

DESSALINES.

Die Kraft braucht Raum; der Baum der aufwärts strebt,

sieht bald zu seinen Füßen als Gestripp,

was an demselben Tag mit ihm entsprossen.

Er braucht den Gast und nimmt ihn wo er kann,

wenn auch der Strauch an seinem Fuß verdorrt.

JULIA.

Der Sturm knickt nicht den Halm, doch stürzt er Eichen.

DESSALINES.

Weil sie nicht spielend seiner Laune weichen,

weil kämpfend sie im Ungewitter stehen.

Das Große muß im Großen untergehen.[76]


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 75-77.
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