Zweyter Auftritt

[63] Richers, Jöran.


RICHERS eilig. Treffe ich euch endlich, Oheim.

JÖRAN streng. Was willst du hier? Dieß ist kein Ort, Besuche zu empfangen.

RICHERS. Auch komm' ich in Geschäften – der König will, ich soll mit frühem Morgen fort.

JÖRAN. ICH. will, daß du bleibst.[63]

RICHERS. Wie?

JÖRAN. Ich sende einen Andern.

RICHERS heftig. Oheim – das könnt', das dürft ihr nicht!

JÖRAN stolz. Was darf Jöran nicht?

RICHERS. Vor dem ganzen Hofe –

JÖRAN. Ernannte dich der König zu seinem Gesandten, weil ihn dein Oheim um diese Gnade bath, weil ich dich dem Complott entrücken wollte, wo Hochverrath geschmiedet wird, weil ich die Schande nicht erleben wollte, daß mein Blut auf dem Schaffot vergossen würde.

RICHERS. Oheim!

JÖRAN fortfahrend. Wilde Jugend, die nur braus't, nie denkt, nach Neuem hascht – das Alte zu vertilgen Plane schmiedet. Glaubst du, du habest mich getäuscht? der alte Hofmann verstehe sich so schlecht auf Farbenwechsel? Kein Schiffer kann des Meeres Strömungen so gut berechnen, wie ich das Auf- und Niederwallen deines Bluts. Jetzt stehst du blaß vor mir, ein Wort, und alle Adern ergießen sich in deine Wangen.

RICHERS hat sich gefaßt. Gut denn – ja, ich wollte fort, weil ich mich in Verbindungen einließ, die mich reuten. Wohlthätig kamt ihr meinem Wunsch zuvor, warum wollt ihr mich jetzt verhindern?

JÖRAN sieht ihn an, dann sagt er spöttisch. Zu einer so weiten Reise braucht man Geld.

RICHERS schnell. Bin ich nicht reich?

JÖRAN kalt. Du warst es –

RICHERS. Wie?

JÖRAN mit festem Ton und Blick. Ehe du dem Kerkermeister[64] Johanns dein ganzes Vermögen bothst, um mit dem Gefangenen zu sprechen.

RICHERS erschrickt.

JÖRAN. Wenn er nun deinen Wunsch erfüllt, bist du ein Bettler, mit was willst du reisen?

RICHERS. Oheim, die Hölle ist in eurem Solde –

JÖRAN. Willst du nach Rußland, um Heere dort zu werben? willst du an ihrer Spitze wiederkehren, um Tausende in deinem Vaterlande zu schlachten, damit der eine seiner wohlverdienten Strafe entgehe? Du solltest Freundschaftsbande knüpfen, und eilst dahin der Zwietracht Samen in das nachbarliche Land zu streuen. Bey Gott! nicht Sorge für dein Leben hält mich ab, der strafenden Gerechtigkeit dich auszuliefern, nein, nur die Sorge für unsres Hauses Ehre.

RICHERS. Die wird dadurch gerettet, wenn einer für die gute Sache stirbt, indeß der andere für die schlechte lebt.

JÖRAN. Schweig! fürchte meinen Zorn! fürchte, daß ich dich bey den Haaren zu des Königs Füßen schleppe.

RICHERS kalt. Ich erspare euch die Mühe, ich überliefre mich selbst.

JÖRAN heftig. Mensch! soll die Wache deine Schritte hemmen?

RICHERS bleibt stehen. Die Wache?

JÖRAN. Soll ich dich, gleich einem Rasenden, der sich selbst verderben will, in Fesseln legen?

RICHERS heftig. In Fesseln? Lacht ergrimmt. Es ist wahr, ihr habt dazu die Macht, ihr könnt das thun – was könnt ihr nicht in Schweden alles thun! Gleich[65] einem Ungethüm umlagert ihr den Thron, schlagt eure giftigen Krallen in jedes Tugendhaften Brust. Für euch wird das Metall der Erde Schooß entrissen, um von euch zu erkaufen, was eure Gerechtigkeit verweigert hat. Die Flotten, die Heere, sie leiden Mangel, damit ihr eure Kisten füllt.

JÖRAN. Rasender!

RICHERS. In mir flösse euer Blut? Gibt es verwandte Körper, in denen sich so fremde Seelen wohnen? – Ihr tretet jedes Recht mit Füßen, ihr sehet kalt, mit trocknem Auge Thränen fließen, die Todesangst aus halb erloschnem Auge preßt. Ich fühle, weine mit, und jede Nerve zuckt, und jede Ader schwillt, und jeder Pulsschlag treibt mich an, dem Unterdrückten beyzustehen. Ihr könnt nur Menschenglück zerstören, vernichten – ich baue auf, was ihr darnieder reißt.

JÖRAN. Fürchte meinen Zorn!

RICHERS fährt fort. Es ist nichts Kleines, womit sich eure Seele jetzt beschäftigt – sie brütet Mord, sie lechzt nach Blut, und kein Gemeines ist's, wonach sie dürstet, was eurer Rache fließen soll. Mit Gustav Wasa's königlichem Blut wollt ihr das Land und euch beflecken; ihr habt nach manchem Mord die Hände rein gewaschen, diese Flecken tilgt kein Raß, keine Reue nimmt die Last von eurem Gewissen, und keine Zeit tilgt Schwedens Schande.

JÖRAN. Aus meinen Augen – fort!

RICHERS tritt vor ihn hin. Oheim! ich rufe durch diesen Nahmen das Andenken an meine Mutter, die ihr liebtet, euch zurück; sie war das einzige Geschöpf, das[66] dieser Felsenbrust ein menschliches Gefühl entlockte – bey ihrer Asche, bey ihrem seligen Geiste, der uns jetzt umschwebt, beschwör' ich euch, seyd heute Richter nur, nicht Kläger!

JÖRAN. Seine Briefe klagen ihn an, sonst niemand.

RICHERS. Der Ton gibt erst den Worten die Bedeutung, gebt ihnen keinen fremden Sinn Oheim! auf meinen Knien fleh' ich – mildert, vergrößert nicht, gedenkt an eure Sterbestunde!

JÖRAN heftig. Ist sie schon da, daß du mir gleich dem Priester sprichst?

RICHERS steht auf – nach einer Pause. Sie ist euch nahe –

JÖRAN. Wie?

RICHERS. Wenn ihr unschuldig Blut vergießt, wenn Mitleid und Erbarmen fern von euch sind, ist sie euch nah' –

JÖRAN will ab. Ha –

RICHERS hält ihn und sagt mit durchdringendem Blick. Bewahrt eure Seele vor Mord, bebt vor dem neuen gräßlichen Verbrechen, das ihr den alten zugesellen wollt, zurück – sonst – denkt an eure Sterbestunde! Schnell ab.

JÖRAN allein, sieht ihm erstaunt nach. Was war das? Der Wurm darf sich nur krümmen, und dieser droht – droht mir? Läge mir nicht viel daran, in diesem Augenblick das Aufsehen zu verhüten, du solltest sehen, daß Jöran auch sein eigen Blut vergießen kann, und deines braus't so wild, so heftig in den Adern, daß es mit Ungestüm mich mahnt, ihm Luft zu machen. So offen darf er sich nicht ungestraft als meinen Feind erklären.[67] – Unsinniger! glaubst du, der Knabe, der sich mir entgegen stellt, hemme meinen Weg? er nöthige mich, nur eine Spanne breit zu weichen? Zertreten wirst du, über deinen Leichnam schreite ich zum Ziel.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 63-68.
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