Dritter Auftritt

[68] Braske. Jöran.


JÖRAN geht ihm entgegen. Wir sind die ersten, Herr geheimer Rath, gleicher Eifer trieb uns her.

BRASKE. Doch verschieden war die Absicht.

JÖRAN. Wie meint ihr das?

BRASKE. Ihr eilt, weil ihr des Angeklagten Unglück nicht erwarten könnt, ich, weil ich es verhüten möchte.

JÖRAN. Traut ihr mir nicht dasselbe zu?

BRASKE sieht ihn an. Dasselbe, was ich mir zutraue? – nein.

JÖRAN. Nicht nach Laune, nach Gerechtigkeit richtet man in Schweden; es ist der Wille Seiner Majestät, sie auf's genaueste Hand zu haben.

BRASKE. In manchen Fällen – ja.

JÖRAN. Ich dächte – immer.

BRASKE. Nachdem es dem Könige Sieht ihn an. und seinen Räthen frommt.

JÖRAN gereitzt. Braske! ihr redet euch noch um den Kopf.

BRASKE. Wenn ich die Wahrheit sage? und ihr redet von Gerechtigkeit in Schweden?[68]

JÖRAN. Ein Glück, daß ich es, und kein Anderer gehört.

BRASKE. Ich meine, der Gefährlichste hat es vernommen.

JÖRAN geht auf ihn zu, reicht ihm heuchlerisch die Hand. Freund! –

BRASKE weicht aus. Zu keinem Titel kam ich je so unverdient, wie zu dem eures Freundes.

JÖRAN. Ihr wollt es nicht seyn –

BRASKE. Ich kann nicht.

JÖRAN geht von ihm. Eigensinniger Mann –

BRASKE. Ja, eignen Sinn habt ihr schon oft bey mir gefunden. Ihr wißt, wir beyde gehen nicht einen Weg; auf meinem wuchs mir manche Blume, und viele gute Menschen reichten mir die Hand. Ihr geht durch wüste, freudenlose Steppen, und trefft zuweilen nur ein Raubthier an, das euch nichts thut, weil es dem Menschen nur gefährlich ist.

JÖRAN heftig. Braske! –

BRASKE fährt fort. Da ihr mir heute nun so fein, so honigsüß entgegen kommt, so meine ich fast, ihr möchtet mich für etwas stimmen.

JÖRAN. Dann wäre es sicher nur für die gerechte, gute Sache.

BRASKE. Für die war ich noch nie verstimmt, doch ihr habt manchen Mißton euch zu Schulden kommen lassen. Wenn bey der Wage der Gerechtigkeit die Schuldenschale euch nicht tief genug hinunter sinkt, rasch werft ihr eine Sünde mehr hinein. Die Last erleichtern sah ich euch noch nie.[69]

JÖRAN. Ihr tadelt mich, weil ich nicht durch die Finger sehe?

BRASKE. Gott bewahre mich vor solchem Frevel. Ganz Schweden weiß, daß bey euch manche Diebe ungestraft entrinnen.

JÖRAN heftig. Braske, ich fordre euch auf, mir solches zu beweisen.

BRASKE. Leichteres hat von mir kein Mensch gefordert.

JÖRAN. Weil euch der König duldet –

BRASKE. So duldet ihr mich auch – das weiß ich wohl, sonst stände längst ein Mann an meiner Stelle, der des Günstlings Ja und Nein maschinenmäßig wiederhohlte. Ich spreche Recht, und scheue niemand, indeß mich mancher scheut.

JÖRAN. Der König hat mir aufgetragen, euch zu sagen, daß ihr den heutigen Fall genau erwägen sollt, ob –

BRASKE schnell. Ob sich ein Mittel zu seines Bruders Rettung fände?

JÖRAN. Er will ihn streng nach dem Gesetze richten, wie den geringsten Schweden.

BRASKE nach einer Pause. Dann hat der geringste Schwede das vor dem Königssohn voraus, daß ihn nicht sein Bruder richtet.

JÖRAN. Des Königs und des Landes Sicherheit fordert –

BRASKE. Johanns Tod? Legt mir nur auf die Zunge, was ich sprechen soll, und hohlt dann eure eigne Meinung wieder ab, so bald ihr deß benöthigt seyd. Sieht sich um. Der Rath versammelt sich – ich wollte wetten, daß[70] alle diese Körper heute nur einen, nur euren Willen haben. Oder sind eure Uhren noch nicht aufgezogen? Gebt ja Acht, daß sie euch zur rechten Stunde schlagen.

JÖRAN. Braske, diese Sprache habt ihr euch noch nie erlaubt.

BRASKE. Die Ehre Schwedens stand nie auf dem Spiel. – Der über Könige richten will, muß die Stimme nicht scheuen dürfen, die ihn richtet. Jöran! fremde Völker werden unsern heutigen Rathschluß hören, und ich fürchte, sie werden nicht den Beklagten, sie werden seine Richter als Schuldige verdammen.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 68-71.
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