Siebenter Auftritt

[242] Marie. Die Vorigen.


MARIE geht auf die Baroninn zu, küßt ihr die Hand. Sie haben befohlen –

BARONINN. Zwey Mahl befohlen, bis Sie ein Mahl gekommen sind. Wie gesagt, die rothen Augen waren Schuld; in dieser Stimmung werden Sie sich nur dürftig über das Glück einer meiner Töchter freuen, welches eben unterzeichnet wird.

MARIE. Dann wird es sich wohl nicht schicken, daß ich –

BARONINN. Was?

MARIE. Es sind Gäste im Hause; erlauben Sie, daß ich für ihre Unterhaltung sorge, bis Sie selbst –

BARONINN. Sie sollen hier bleiben! ich befehle es!

WALDBERG. Und ich bitte darum!

WOLF zu Grünau. Nun wird's losbrechen.

GRÜNAU. Es donnert schon.

BARONINN zu Marie. Unterdücken Sie ein wenig Ihren Neid, Ihre Mißgunst. Madame haben schon einen Mann gehabt, dulden Sie nun, daß man auch für andere Bräute[242] Kränze windet. – Nun, Herr Sohn – hier ist der Kranz! welche ist die Braut?

WALDBERG führt die bebende Marie zu der Baroninn. Diese –

BARONINN erschrickt und läßt den Kranz fallen. Wie? was?

NINA UND EMY voll Freuden. Marie!

NINA. Meine gute Schwester!

EMY. Du Braut?

BEYDE. O nun wird dir vergolten!

WOLF zu Grünau. Bitte, die petrificirte Freude der Baroninn zu betrachten.

GRÜNAU. Ich fürchte, es schlägt ein.

BARONINN. Was ist das für ein Gaukelspiel? was soll das heißen?

WALDBERG. Ich versprach, eine Tochter des Baron Wendheim zu heirathen, und wähle – Marie.

BARONINN. Mir wird schlimm, das Zimmer geht mit mir herum. So, Madame! hat sich Ihre Sanftmuth einen Mann erschlichen? Ist das die Liebe, die Sie für meine Kinder hegen?

MARIE. Großer Gott!

WALDBERG. Fassen Sie sich!

MARIE. Lassen Sie mich fort!

EMY UND NINA. Liebe Mama –

BARONINN. Fort! ihr könnt noch für sie bitten? sie hat euch ja bestohlen, beschimpft! man wird mit Fingern auf euch zeigen! ihr werdet keine Männer kriegen!

GRÜNAU. Um Vergebung! hier steht schon einer.

BARONINN. Was?

GRÜNAU. Ich bitte um Ihre Nina![243]

WOLF. Zum Bräutigam bin ich zu alt, sonst würde ich um die liebe Emy bitten; aber als Vormund, als Vater steh ich hier und strecke meine Hände zum Segen aus. Gnädige Frau! Sie waren dieser guten Seele nie Mutter, obgleich Sie Ihnen immer eine gute Tochter war. Oft, wenn das Haus von wilder Freude wiederhallte, sah ich in ihrem Auge eine stille Thräne, die ihr der Gäste Spott, der Mutter Härte ausgepreßt. Da dacht' ich dann: ihr wird vergolten, denn solche Duldung ging von oben aus, von oben wird ihr die Vergeltung kommen. Und siehe da! nachdem sie manchen bittern Kelch geleert, reicht ihr der Ehrenmann den Freudenbecher, und alle gute Menschen stoßen an.

BARONINN. Sie waren im Complott?

WOLF. Muß es bekennen.

BARONINN. Haben fein gesponnen!

WOLF. Scheue nicht die Sonnen. Ja, ich habe mich zu der Frevelthat verleiten lassen, Sie alle glücklich zu machen.

BARONINN. Schönes Glück!

WOLF. Nennen Sie das kein Glück? Nina bekömmt einen braven Mann – Marie bekömmt einen braven Mann. Emy ist noch jung, kann warten, und wird eine reiche Parthie, denn Herr von Waldberg hat ihr 30,000 fl. Heirathsgut verschrieben; hier ist das Instrument darüber. Er hat Ihnen, Leise. die Sie schon sehr auf dem Boden waren und manches über Bord werfen mußten, um wieder flott zu werden, Laut. jährlich 2000 fl. ausgesetzt; hier ist das Instrument darüber. Ist das kein Glück?[244]

WALDBERG. Ich that, was ich konnte, Ihre Liebe zu verdienen. Geben Sie uns Ihre Einwilligung, Ihren Segen.

BARONINN. Madame ist mündig, hängt von niemand ab.

MARIE. Nein, nein! ich habe eine Mutter. Sträuben Sie sich gegen diesen Nahmen, wie Sie wollen, Ihr Herz soll mir ihn heute geben. Ich habe meine Schwestern nicht betrogen, nach ihrem Glücke nicht gegeitzt, wahr und warm für sie gesprochen, auf diesen Ausgang nie gehofft.

WALDBERG. Marie –

MARIE. Ich habe Muth, dem Manne zu entsagen, den mir die Mutter nicht entgegen führt. Zu Waldberg. Ich erkenne, was Sie für mich gethan; aber, indem sich ein Herz für mich öffnet, dürfen die sich nicht verschließen, an die mich Blutesbande knüpfen. Umarmt ihre Schwestern. Wir hatten einen Vater, wir sind Schwestern, und eure Mutter sollte mir nicht Mutter seyn? – In diese Hand leg' ich mein Schicksal nieder. Ergreift ihre Hand. Ich kann den Muttersegen nicht entbehren, nur Sie bestimme meines Lebens Glück!

BARONINN gerührt. Marie –

MARIE zu ihren Füßen. Ha, dieser Ton kam aus dem Herzen! die Mutter ruft – ich habe eine Mutter!

EMY UND NINA. Liebe Mutter! gute Schwester!

WALDBERG. Empfang' ich von der Mutter jetzt mein Glück?

BARONINN. Marie ist die Braut!

EMY UND NINA. Gott! Gott! wie dank' ich dir![245]

WOLF. Jetzt, Bruder Wendheim, schau herab! jetzt segne ich in deinem Nahmen.

GRÜNAU führt Nina zur Mutter. Und wir Beyde?

BARONINN. Seyd ein Paar – aber Marie – bekommt den Kranz. Gibt ihn ihr.

ALLE KINDER. O liebe Mutter! gute Mutter!

WALDBERG. Neben diesem Brautschmuck kann Marie keinen andern tragen. Gibt Marie den Schmuck. Die Mutter schmückte dich, schmücke du die Mutter.

MARIE gibt ihr den Schmuck. Der Liebe genügen Blumen.

BARONINN beschämt. Ich gab dir Thränen, und du –

MARIE. Nur der Morgen meines Lebens war bethaut, die Abendsonne strahlt mir Freude.

ALLE. Freude!


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 242-246.
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