Siebenter Auftritt

[304] Langers, Ferdinand. Langers, im Mantel, tritt ein.


FERDINAND. Endlich – Sie liessen lange warten.

LANGERS. Das ist sonst nicht meine Art.

FERDINAND. Diesmal konnten Sie sich nicht losreißen?

LANGERS. Ich mußte versprechen bald wieder zu kommen.

FERDINAND voll Wuth. Ha – Sie dürften Wort halten –

LANGERS. Wer weiß –

FERDINAND heftig. Ich, ich weiß es – zur Sache!

LANGERS. Noch ein Wort – ehe ich mich schlage, versprichst Du mir, im Fall ich bleibe, diesen Zettel in alle gelesene Blätter Deutschlands, und deren sind jetzt viele – einrücken zu lassen.

FERDINAND. Was enthält er?

LANGERS. Im Tode ist Wahrheit – lies – Giebt ihm ein Papier.

FERDINAND liest hastig. Ferdinand Bilau, gibt sich die Ehre anzuzeigen, daß er rein toll geworden – ha –[304]

LANGERS ruhig. Weiter, weiter –

FERDINAND liest. Und in einem Anfall von Wuth seinen besten Freund – Zerreißt das Papier. das unterschreibe ich nicht –

LANGERS kalt. So schlag ich mich auch nicht. Will gehen.

FERDINAND höhnisch lachend. Ha, ha – war das die Windstille, die das Schiff nicht von der Stelle ließ? Feigheit? Lebenslust?

LANGERS kehrt plötzlich um, heftig. Lebenslust? Ja, die hab ich, der liebe Gott hat kein Geschöpf gemacht, das sich mehr seiner schönen Erde freut – aber Feigheit! Den will ich sehen, dem das Herz mehr auf der rechten Stelle sitzt, mein Wagen ist angespannt, ich bin reisefertig, in diese oder jene Welt, hier ist mein Testament, und hier sind Degen und Pistolen, wähle – Schlägt den Mantel zurück, hat zwei Degen in der Hand, und nimmt aus der Tasche zwei Terzerole.

FERDINAND stutzt einen Augenblick da er ihn bewaffnet sieht, dann sagt er schnell. Pistolen!

LANGERS. Die machen Lärm –

FERDINAND. Komm mit vors Thor.[305]

LANGERS. Nicht von der Stelle.

FERDINAND. Den Degen –

LANGERS giebt ihm einen, zieht den andern. Er ist gezogen. – Wehre Dich, ich fechte gut –

FERDINAND dringt auf ihn ein. Ich treffe –

LANGERS schreit. Halt – Blut, ich bin verwundet –

FERDINAND erschrickt. Wo?

LANGERS. Hier. Hält die Hand auf die Brust. Mitten durch.

FERDINAND wirft den Degen weg. Gott! – Was hab' ich gethan?

LANGERS hält sich an ihn. Stille – denk auf Flucht –

FERDINAND. Nein – ich lasse Dich nicht – Hülfe!

LANGERS. Pst – Hält ihm den Mund zu. Bist Du von Sinnen? Du bringst ja alles in Allarm –

FERDINAND. Sie sollen helfen, retten –

LANGERS. Ferdinand, verstehst Du denn keinen Spaß?[306]

FERDINAND. Spaß?

LANGERS. Glaubst Du ich würde mich im Ernst von Dir erstechen lassen? Du – fechten kann ich – bin schon manchmal dabei gewesen, ans Leben kommst Du mir so nicht.

FERDINAND. Aber – ich sah ja Blut –

LANGERS lacht. Euch Verliebten kann man doch alles weiß machen, erst sieht er in der gewöhnlichsten Galanterie Liebe, und jetzt sieht er Blut ohne Wunde.

FERDINAND. Galanterie? Und weiter nichts? Gewiß nichts?

LANGERS. Her mit der Hand – ich habe Dich als einen Hitzkopf – aber, als einen braven Kerl kennen gelernt. Hättest Du, als Du mich verwundet glaubtest, auf Flucht gedacht, dann wäre ich zu Rosalien gegangen, und hätte gesagt: schlage in meine Hand deutsches Mädchen, er ist Deiner nicht werth, aber so warst Du brav, ich bin auch brav, und – alle meine gesammelte Weiberkenntniß müßte trügen, oder Rosalie ist es auch. – Darum lege den häßlichen Fehler der Eifersucht ab, vertraue, glaube an die Tugend, an die Treue Deiner Geliebten, und an den Handschlag eines Freundes.

FERDINAND. Langers! Kannst Du mir verzeihen?

LANGERS. Von Herzen.[307]

FERDINAND. Meine Tollheit – meine Heftigkeit – aber Du warst selbst Schuld – Du warst ja dort gleich wie zu Haus.

LANGERS. Würde man denn glauben, daß ich aus Paris komme, wenn ich nicht gleich jedes Haus als das meinige ansähe –

FERDINAND. Du liebst Rosalien nicht?

LANGERS. Bis jetzt – nicht.

FERDINAND. Heirathest ihre Schwester?

LANGERS. Halt – das hab' ich nicht gesagt –

FERDINAND dringend. Beweise mir –

LANGERS. Der Beweis geht über meine Kräfte.

FERDINAND. Freund!

LANGERS. Die gefällt mir nicht.

FERDINAND. Du kennst sie nicht – sie hat Verstand –

LANGERS. Ich kann die Weiber nicht leiden, die für ihre Männer denken.

FERDINAND. Sie hat das beste Herz –[308]

LANGERS. Giebt Almosen, sucht Kranke auf, wartet und pflegt sie, weiß, weiß alles, fühle übernatürliche Verehrung, aber keine Liebe. Alles was ich für Dich thun kann ist, daß ich wie ein irrender Ritter im Lande herum ziehe, ihr einen Mann suche, und mich mit jedem auf Leben und Tod herumschlage, der sie nicht heirathen will.

FERDINAND. Noch einen Vorschlag – komm mit mir hin, berede wenigstens die Mutter, daß sie in mein Glück willige.

LANGERS. Am Ende soll ich wohl gar die Mutter heirathen, damit ich Dich als Vater segnen kann? Lauter Propositionen, die mir an den Hals gehen.

FERDINAND. Langers, scherze nicht, ich bin in Verzweiflung! – Heute noch muß ich ihre Einwilligung haben, sonst heirathet morgen mein Vater. Die Braut ist schon im Hause, ich habe sie gesehen.

LANGERS. Was Teufel –

FERDINAND. Eine Bauerndirne, roh, dumm –

LANGERS. Alter Herr! Das wäre ja –

FERDINAND. Mein Unglück, sein Unglück – o Bruder Rettung, Hülfe, sonst bin ich verloren.

LANGERS. Nun wohlan – ich gehe hin, rede mit der Mutter,[309] aber wenn mir gegen die Tochter, gegen die mit den großen schwarzen Augen, eine Tändelei entschlüpft, daß ich mich nicht noch einmal mit Dir herumschlagen muß, denn einmal könnte es doch krachen, und ich habe mein Erdenleben gar zu lieb.

FERDINAND. Ewiger Friede –

LANGERS. Ewige Freundschaft –

FERDINAND. Wir sind Brüder, treue Brüder – und wenn das Glück gut geht, vielleicht bald Schwäg –

LANGERS hält ihm den Mund zu. Stille – die Mädchen haben feine Ohren, sie hören es Häuser weit, wenn man vom Heirathen spricht. Noch gehöre ich allen, noch flattre ich wie der Vogel in der Luft – ob die mich fängt in einem glänzenden Pallaste; im Blüthenhain am murmelnden Bache, oder unter einem Strohdach sitzt, das weiß ich nicht, aber ich strecke meine Hand nicht nach ihr aus, bis mir mein Herz laut zuruft – das ist sie – dann drücke ich sie an mein Herz – und dann – wer ein guter Ehemann werden will, der spiegle sich an mir. Beide Arm in Arm ab.


Ende des dritten Akts.
[310]

Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 304-311.
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