9. Gut gemeynt, übel gerathen

[137] 1.

Ach weh ich armes Kind!

Was vor ein Labyrinth

Verwirrt mir die Gedancken?

Da muß ich ungefähr[137]

Bald hin bald wieder her,

Als wie ein Schilffrohr wancken.


2.

Ist diß der schöne Grund,

Darauff die Hoffnung stund,

Die mir so günstig lachte?

Soll diß die Freundschafft seyn

Die mir den falschen Schein

Sonst vor die Augen machte?


3.

Mich deucht, ich hätt einmahl,

Durch Sorgen, Müh und Quaal,

Den Fisch herauß geangelt;

So werd ich die Gefahr

Nun allererst gewahr,

Da mir das beste mangelt.


4.

Die Freunde sind nicht faul,

Und wollen mir das Maul

Mit süssen Worten schmieren,

Da kommen sie zu mir,

Und wollen da und hier

Mich bey der Nase führen.


5.

Die Feinde sehn mich an,

Und blecken ihren Zahn,

Als wolten sie gedencken,

Ich würde dergestalt

Den Karren nicht so bald

Auß diesem Kothe lencken.


6.

Und also weiß ich nicht,

Wohin ich mein Gesicht

Vor Gram und Sorgen wende:

Mein Leben hab ich noch,

Sonst hat die Lust ein Loch,

Und alle Gunst ein Ende.


7.

Ihr Leute, kommt und schaut,

Wie schlim hab ich gebaut,

Der Grund ligt auff dem Sande.

Der wirfft mir nun das Hauß

Zu allen Fenstern nauß,

Und läst mich in der Schande.


8.

Wolan, ich bin genug[138]

Mit meinem Schaden klug,

Ich mags nicht mehr erfahren,

Ich leyde, was ich soll,

Und itzo seh ich wol,

Verstand kommt nicht vor Jahren.


9.

Doch will ich meinen Sinn,

Daß ich so alber bin,

Auß aller Macht verfluchen:

Und gönnt mir Gott die Zeit,

So will ich anderweit

Mein besser Glücke suchen.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 137-139.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese gibt sich nach dem frühen Verfall ihrer Familie beliebigen Liebschaften hin, bekommt ungewollt einen Sohn, den sie in Pflege gibt. Als der später als junger Mann Geld von ihr fordert, kommt es zur Trgödie in diesem Beziehungsroman aus der versunkenen Welt des Fin de siècle.

226 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon