2. Die verliebte Jägerey

[11] 1.

Die Lieb ist gleichsam eine Jagt,

Da sich ein grosser Hauffen

In die Gebüsche wagt,

Wo Angst und Müh entgegen lauffen,

Und wo die gantze Welt

Sich fast in das Gehäge stellt.


2.

Die Netze sind von Heucheley

Und Eitelkeit gestricket,

Darinnen wird die Treu

Der jungen Einfallt offt berücket,

Und wer nicht langen kan

Der flickt ein bißgen Hoffnung dran.


3.

Der Spürhund ist die Ungedult,

Der billt und läst sich hören,

Die Unschuld mit der Schuld

In ihrem Lager zu verstören:

Wie ist er doch bemüht

Eh er das Wild vor Augen sieht?


4.

Und also muß der Windhund fort

Durch bitten und Versprechen,

Durch Klagen da und dort

Die ungewisse Bahne brechen,

Biß man den gantzen Rest

Der grossen Docken lauffen läst.


5.

Oft schiest man Ehr und Tugend todt,

Dann die verliebten Minen

Sind wie der Haasenschrot:

Wohl denen die sich so bedienen!

Denn wer ein Narr will seyn,

Schiest gar mit silbern Kugeln drein.


6.

Wiewohl manch armer Jäger sagt

Er hab es gut erlesen,

Und hab ein Reh gejagt,

So ist es kaum ein Fuchs gewesen:

Und wer den Hirschen hetzt,

Nimmt wol ein Eichhorn auff die letzt.


7.

Offt setzt ein Hauer seinen Zahn[12]

In die getroffne Liebe

Mit solchem Eyver an,

Daß alle Gunst in einem Hiebe

Zu Grund und Boden geht,

Und wenn sie noch so feste steht.


8.

Doch geht, ihr Freunde, geht ins Feld,

Habt ihr mit euren Netzen

Schon einmahl auffgestellt,

So seid ihrs schuldig fortzusetzen:

Denn der ist übel dran

Der hetzen und nicht fangen kan.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 11-13.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Clementine

Clementine

In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.

82 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon