4. Er mag nicht mehr verliebt seyn

[79] 1.

Nun bin ich wieder frey,

Nun darff ich an die Pein,

Und an die Liebes-Treu,

Nicht mehr gebunden seyn:

Ein ander mag sich sehnen,

Wie ich bißher gethan,

Ich blicke meine Schönen,

Mit kalten Augen an.


2.

Nun bin ich wieder frey,

Und spotte der Gefahr,

Der Strick ist schon entzwey,

Der mein Gefängniß war,

Die schönsten Lust-Gedancken,

Vergnügen meinen Sinn,

Dieweil ich auß dem Schrancken,

Der Knechtschafft kommen bin.


3.

Nun bin ich wieder frey!

Vor ließ das eitle thun,

Der blinden Fantasey

Mich wenig Stunden ruhn,

Da stell ich mir der Wangen

Und da der Augen Zier,

Mit sehnlichem Verlangen,

In einem Traume für.


4.

Nun bin ich wieder frey,

Und achte dieses Spiel

Der blossen Löffeley,

Als einen Birnen-Stiel.

Ade ihr schönen Kinder,

Gedenckt an euren Freund,

Ich scheide nun geschwinder,

Als ich es selbst vermeint.[79]


5.

Nun bin ich wieder frey.

Das Liebes-Feuer streicht,

Bey mir umsonst vorbey:

Drum weicht, ihr Mädgen weicht,

Sucht andre Männer Sinnen,

Ich sag es ohne Scheu,

Mich könnt ihr nicht gewinnen,

Denn ich bin wieder frey.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 79-80.
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