CAP. XXIV.

[120] Immittelst begunte einem am Tische sehr übel zu werden, weil er den vorigen Tag einen ziemlichen excess im trincken begangen, und also den Magen schändlich verderbt hatte, dem rieth Gelanor, er solte sich eine Schale geglüeten Wein bringen lassen, dadurch er den Magen wieder erwärmte. Solches war beliebt, und brachte der Wirth eine gantze Kanne voll, darauß er in eine Schale einschencken kunte. Nun saß ein vernaschter Kerl darbey, der alsobald meynte, er müste sterben, wann er nicht alles beschnopern solte. Dieser gab allzeit Achtung drauff, wann der Nachbar auf die Seite sah, und wischte stracks über die Schale, und nippte einmahl. Eurylas merckte es, und gedachte stracks den Näscher zu bezahlen: dann er stellte sich, als wäre[120] ihm auch nicht wohl, und ließ etliche eingemachte Qvitten holen: doch hatte er dem Diener befohlen, daß er eine außhöhlen, und mit Saltz und Pfeffer füllen solte. Es gieng an, Eurylas saß in seiner Grandezze und aß Qvitten: der gute Schlucker gegenüber verwandte kein Auge von ihm, und hatte grössere Lust als eine schwangere Frau: nur dieses war so kläglich, daß er kein Mittel sahe, wie er darzu kommen solte. Endlich als lucta carnis & spiritus lange genug gewähret hatte, sagte er, Monsieur, er vergebe mir, ich kauffte gestern eben dergleichen Qvitten, die waren nicht wehrt, daß man sie solte zum Fenster hinauß werfen, ich muß doch versuchen, ob diese besser seyn? Eurylas rückte ihm die rechtschüldige vor, und da war der arme Schlucker so geitzig, als wolte ihm iemand die Qvitten nehmen, und steckte sie auf einen Bissen in das Maul. Da saß nun mein Narr, und empfand einen Geschmack in der Kehle, darüber er hätte vergehen mögen. Anfangs zwar wolte er den Possen vor den andern verbergen; Aber es erfolgte ein trefflicher Husten, der ihm die Thränen zu den Augen, und ich weiß nicht, was zu dem Halse herauß trieb. Eurylas stellte sich unterdessen als hätte er kein Wasser betrübt, und fragte etlichmahl, ob ihm irgend ein Qvittenkern wäre in die unrechte Kehle kommen. Doch wuste der gute Mensch am besten, wie ihm zu Muthe war, und stunde vom Tische auff, dem die andern auch folgten. Als nun Eurylas bey dem Gelanor und Florindo allein war, und den Possen erzehlte, folgte diß Morale darauff, es solte sich niemand mercken lassen, was er gern hätte: absonderlich solte man lernen an sich halten, wann ja etwas wäre, daß fein und annehmlich außsähe, nach dem Reimen des alten Philippi Melanchthonis, was mir nicht werden kan, da wende mir Gott mein Hertz davon. Uber dieß gedachte Gelanor an ein Buch, welches er bey einem guten Freunde, geschrieben gesehen, mit dem Titul der Politische Näscher. Florindo sagte, es wäre Schade, daß diß Scriptum nicht solte gedruckt werden. Ach, sagte Gelanor, es ist ietzund so ein Thun mit dem drucken, daß mancher[121] schlechte Lust darzu hat. Es wendet ein ehrlicher Mann seine Unkosten drauff, daß er zu einem Buche kömmt; hernach wischt ein obscurer Berenheuter herfür, dem sonst die liebe Sonne eher ins Haus kommt, als das Liebe Brod, der druckt es nach und zeucht entweder den Profit zu sich, oder zum wenigsten verderbt er den Ersten, dem es von Gott und Rechtswegen zukömmt. Und gewiß hieran redte Gelanor nicht unrecht. Denn man hat es bißher etlichmahl erfahren, wie ein und ander Buch alsobald hat müssen nachgedruckt werden. Unlängst sind etliche Bogen heraußkommen, darinn von den dreyen Hauptverderbern in Teutschland gehandelt wird. Allein der GUTE Kerle ist mehr als bekandt, der solches zu sich gezogen, und möchte er künfftig, wenn die vornehmen Narren vorbey, wohl mit einer sonderlichen Narren-Kappe bedacht werden. Iezunder ist er noch zu GUTH, oder daß ich recht sage, zu geringe darzu. Nun wir kommen zu weit von der Sache. Wiewohl ietzt hätten wir Zeit genug etwas zu reden, denn es war schon tieff in die Nacht, daß alle zu Bette giengen, und sich umb die Narren wenig bekümmerten. Also würden wir verhoffentlich keinen verstören. Doch es ist auch Zeit, daß wir zu Bette gehn, morgen soll was bessers erfolgen, diesen Abend hiesse es


Interdum magnus dormitat Homerus.


Gute Nacht.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 120-122.
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