[164] Es saß einer auf der Kutsche, der hatte sich im währenden Gespräche zu rechte gelegt und schlieff eines auf der Philosophie Gesundheit. Endlich fiel ihm der Hut vom Kopffe, darüber erwachte er, und fieng eben[164] zu der Zeit, da Florindo am nothwendigsten zu disputiren hatte, an zu schreyen: halt, halt, halt Kutscher, mein Hut, mein Hut. Der Kutscher mochte auch seine Liebes-Grillen vor sich haben, also daß er das Geschrey nicht in Acht nam, nach langem Ruffen hielt er still. Aber als er den Hut wieder auffheben wolte, hatte sich ein grosser schwartzer Wasserhund darüber gemacht, und lieff damit querfeld ein. Der gute Mensch wolte hinden nach setzen; doch vier Beine lieffen schärffer als zwey Beine, und damit war der Hut verlohren. Er lamentirte abscheulich, der Hut koste an sich selbst zwey Reichsthaler, die Krempe hätte er keinem umb vierdthalb Thaler gelassen, das Futter käme ihn auf sieben Groschen zu stehen, und die Schnure würde er unter funfzehn Groschen nicht wiederschaffen, und da war es erschrecklich, was der Hund vor injurien und vor häßliche Ehren-Titul muste über sich nehmen, ja er hätte sich lieber an den Kutscher gemacht: Allein dieser gab ihm Wahre dran, daß die gantze Compagnie lachte, und er Schande halben stillschweigen muste. Eurylas gab ihm einen Trost, wie wär es, sagte er, wenn er zu Schiffe gewesen, und der Hut wäre ihm in das Wasser gefallen, so hätte der Schiffer nicht einmahl können stillhalten. Florindo sagte, der Thor-Wärter in der Stadt wird stoltz werden, denn er wird sich einbilden, als habe er den Hut ihm zu Ehren abgenommen; Der Dritte sagte, man solte ihn gehen lassen, wenn er einen neuen Hut kauffte, so hätte er das beste Ansehen in der Compagnie. Der Vierdte sagte, es würde mich greulich kräncken, wenn ich den Schaden hätte, absonderlich wenn ich nicht wüste, ob dieses ein ehrlicher Kerl wäre, der ihn nach mir tragen solte. Der Fünffte sagte, wenn ich nicht wüste, wie er wäre darum kommen, so meynte ich, er hätte kein Geld, und hätte den Hut müssen zum Pfande lassen. Der sechste brachte dieses vor, ihr Herren, sagte er, ihr wisset viel, was der Handel zu bedeuten hat. Wer weiß, wo ein Frauen Zimmer in der Nachbarschafft ist, die den Hut hohlen läst, wenn er nur nachlieffe, und sein Glücke zu suchen wüste: denn es kam mir vor, als wäre es[165] kein natürlicher Hund. Gelanor sagte zuletzt, ey lasset ihn zu seinem Schaden unvexirt, es ist ein Zufall, da er nichts davor kan. Wer weiß wo ihm das Glücke günstig ist, daß er einen Hut vor vier Thaler, und eine Krempe vor sieben Thaler geschenckt kriegt. Inzwischen saß der arme Donner und spintisirte, wo er einen andern Hut schaffen wolte. Doch als sie an ein Dorff kamen, hielt ein Kerle auf einem Pferde, und fragte, ob iemand von der Kutsche einen Hut verlohren hätte, es wäre ümb ein Trinckgeld zu thun, so wolte er ihm solchen wieder zuweisen. Dem guten Menschen wackelte das Hertz vor Freuden wie ein Lämmer-Schwäntzgen. Nur das Trinckgeld verstörte ihm die Freude ein wenig, doch es halff nichts davor, und sagte der obgedachte Sperlingianer zu seinem Troste, è duobus malis minus est eligendum. Hierauff sahen sie Unterschiedene zu Pferde, welche wohl zwantzig Stücke Jagt-, Wind- und Wasser-Hunde nach sich lauffen hatten. Da sagte Eurylas, wenn der Wallensteiner hier wäre, so würde er sprechen, da läufft eine kleine Bestie, und eine andere kleine Bestie kömmt hinten nach, dem folgt eine grosse Bestie, drauff sitzt wieder eine Bestie, die jagen einander im Felde herumb. Hierauff sagte ein Studente, es wäre eine Schande, daß man solch ungezieffer an allen Höffen so häuffig auffziehen liesse, man solte die Bestien in das Wasser werffen, die Hasen und die Füchse würden sich doch wohl fangen lassen. Florindo lachte und fragte, ob er etwan auch Hasen schiessen wolte, wie jener der hätte drey Hasen im Lager schlaffend gefunden, und wäre hingangen, und hätte einen nach dem andern auffgehoben, und gefühlt, welcher der schwerste wäre, hernach wäre er zurück getreten, und hätte den schwersten auß dem Hauffen herauß geschossen, daß die Haare gestoben. Er wüste viel, was die Hunde vor ein Nutzen hätten, er solte solche Sachen unreformirt lassen. Gelan. fiel ihm in die Rede: Es ist war, sagte er, die Hunde haben ihr Lob, doch daß mancher so viel im Hause herumb lauffen läst, die ihm den gantzen Kornboden möchten kahl fressen, da er doch alle seine Jagten mit einem paar guten Zwittern[166] oder Bauerhunden bestreiten könte, das ist eine Sache, die Abmahlens werth ist. Uber dieß sind etliche so gesinnet, daß ehe sie einem Hunde was abgehen oder zu Leide thun liessen, ehe schlügen sie drey Knechte, 6. Bauren und wohl gar das beste Pferd in die Schantze, und wenn man hernach das Raben-Aaß beym Licht ansiehet, so verdienet es kaum die Beine, geschweige das Fleisch und das liebe Brot. Eurylas sagte; Ey mit den grossen Hunden geht es wohl hin, denn wenn sie sonst nichts nütze sind, so dienen sie zum Staat. Es sieht gleichwol prächtig, wenn mann in ein Haus kömmt, und solche schöne Thiere herumb lauffen sieht. Und ich gesteh es, wäre ich ein grosser Herr worden, ich hätte mich trefflich auf rare Hunde befliessen. Doch dieses ist ein erbärmlicher Handel, daß viel Leute ein halb Schock kleine und unnütze Stubenklecker halten, die nicht werth sind, daß man sie mit Heckerling mästet, geschweige daß sie mit den delicatsten Süppgen und müßergen sollen gefretzet werden, welche man offt mit besserm Gewissen krancken und nothleidenden Leuten zuwenden könte. Ich kenne, sagte er ferner, eine vornehme Frau, die lebt sonst sehr prächtig und kostbar; allein in ihrem Zimmer ist ein Stanck von Hunden, daß man eher einen Schinder, als etwas rechtschaffenes da suchen solte. Hierauff sagte ein ander, diese Thorheit gehet noch hin: Allein wo man die Meerschweingen, Caninichen, Eichhörngen, und ander solch Gezichte in Stuben und Cammeru hegt, davon ein Gestanck entstehet, als wäre man in die tieffste Schundgrube gefallen, das giebet ansehnlichen und grossen Leuten schlechte reputation. Florindo konte dieß wieder nicht leiden. Was? sagte er, soll vornehmen Leuten alle Ergetzligkeit zur Thorheit gemacht werden? Ich gesteh es, daß mich keine curiosität so sehr afficirt, als wenn ich solche Thiere zahm und gewohnet sehe, die sonsten wild und furchtsam seyn. Jener replicirte, er wolte niemanden seine Lust abdisputiren. Dieses verwunderte ihn nur, daß etliche ihre Lust zur Unlust, und ihr divertissement zu lauter Gestanck machten. Doch sagte er, es ist Gottes Ordnung so wunderlich, daß reiche Leute auch[167] ihre liebe Noth haben müssen. Wer sich in der Schule mit Kindern blacken muß, der wird vor unglückselig außgeschrien, weil er von den selben, ich weiß nit was aufflesen muß, und es nähme manch delicat Gemüthe nicht viel Geld, und bliebe einen halben Tag in einer solchen Stube. Doch die Kinder sind noch vernünftige Creaturen. Da sie hingegen von solchen unnützen Bestien sechsmahl mehr Unflat und Widerwertigkeit aufflesen, und endlich zur schuldigen Danckbarkeit sich in die Hand oder in den Finger beissen lassen. Hier fiengen sie an von den grossen Thieren zu reden, ob es an hohen Höfen verantwortlich wäre, Löwen, Beeren, Tigerthier, Luchse und dergleichen zu halten, weil man unzehlige Exempel hätte, daß sie entweder loß gerissen und Schaden gethan, oder doch ihre Wärter bißweilen so empfangen wären daß ihnen das Fell über dem Kopffe herunter gehangen. Doch sie kamen zu bald an die Stadt, daß sie dem discurs seine endschafft nicht gaben.