XLV.

[166] Indessen ehe er sich völlig davon machte / hatte er allbereit vor einiger Zeit eine Schrifft auffgesetzet / welche er seinem geliebtesten Untergebenen versiegelte zu rücke schickte / ungefehr dieses Innhalts:


Liebster Freund.


Was ich vor Liebe und Treue gegen euch getragen / solches wird mein bißheriger Wandel sattsam bewiesen haben. Ich müste auch einer hohen Untreu schuldig seyn / wen ich eure Gegenliebe nicht mit allen möglichen Fleisse vergnüget hätte. Allein gleichwie mein Leben unbekandt gewesen ist / also muß auch mein Abschied verborgen seyn. Ich weiß diese Worte werden euch etliche Thränen heraus locken. Doch[166] bedenckt daß ich Zeit genung auff eure Liebe gewendet habe. Ihr seyd numehr in dem Stande / daß jhr meiner Handreichung nicht ferner von nöthen habet. Gehet nur der Strasse treulich nach / welche von mir ist gebähnet worden. Und wofern jhr gedencket / daß ich etwas möchte von euch zufordern habon / so thut mir folgende Stück zu gefallen; und bezahlet mich durch solchen Gehorsam vor meine Dienste. Erstlich bemühet euch nicht meine Reise oder meinen Zustand auszuforschen: den es wird euch unmöglich seyn; wen es auch einiger massen möglich werden könte / so seyd versichert / ich würde ein hohes Mißfallen / und nichts wenigers als Liebe daraus empfinden. Zum andern lasset euch diese innliegende Schrifft recommendirt seyn / und leset sie alle Tage mit guten Bedacht gantz durch.[167] Ihr wisset wie wir eine Stunde vor der Abend-Mahlzeit mehrentheils mit einander herumspatzirten / und bey allerhand Gesprächen die Zeit zum Essen erwarteetn. Wolan lasset mir dieselbe Stunde noch geschencket seyn / uñ wiederhohlet mein Gedächtnüs in dieser Schrifft / welche euch alsdann zu meinem vollkommenen Freunde machen wird / wen die Regeln an eurem Leben / das ist in der That selbst / bekleiden werden. Im übrigen sol euch das auffgehobene Lehrgeld / zum Zeichen meiner auffrichtigen Freundschafft geschenckt seyn. Ist es möglich daß jhr meinen Sohn dermahl eins was zu gute thun könnet / sol wil ich der Wohlthat nicht wiederstreben. Ihr sehet einen halben Ducaten schlangenweiß zerschnitten: wer euch mit der Zeit eine Helffte vorzeiget / die sich gleich in dem Schnitt füget / der ists / welchen ich anitzo recommendire. Gott helffe / daß auff beyden Theilen so viel Glück und Wachsthum erscheine / daß wir des Ausganges getrost erwarten können. Und hiermit zu tausend guter Nacht / mein liebstes Hertze. Last euch diesen Abschied nicht mißfallen. Vielleicht wird mein kleiner Sohn / der euch noch unbekand lebet / die Entschuldigungen erzehlen. Itzo wird die Frau Mutter danckbarlich und getreulich gegrüsset: Aber mein Hertzens Freund hat in diesem Briefe tausend Küsse / und noch so viel tausend Wünsche / von seinem

Allzeit unbekandten

und doch

mehr als zu bekandten

Freunde.

Quelle:
Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 166-168.
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