XIII.

[22] Dannenhero ist es am besten / wen man sich entweder auf Historien / oder auff Historisch-erzehlte Fabeln / und hiernächst auf annehmliche Gespräche gefast machen kan. Die Historien sind uns lieblich / weil das Menschliche Gemüthe immer etwas neues wissen wil: und es erscheinet alsobald an den jungen Kindern / wie sich die Ammen und Muhmen durch einfältige Fabeln hey jhnen so gar wunderlich insinuiren können. Die Gespräche sind eben deswegen anmuthig / weil sich das Menschliche Gemüthe gern um fremde Händel bekümmert; welches daher abzunehmen ist / daß die meisten jhre nothwendigste Verrichtungen liegen lassen /[22] wenn sie nur auch ein paar schlechte Personen in einem Discurse behorchen sollen. Ich hatte auff der Universität einen guten Freund / der bediente sich alle Tage vor der Mittags und Abend-Mahlzeit eines dunckeln Gitters am Haus Fenster: den weil es ein Eckhaus war / und der Weg aus zwey Gassen vorüber gieng / fügte sichs gemeiniglich / das Weiber und Magde gleich bey dem Fenster stehen blieben / und nach dem Maße jhres Verstandes eine halbe Stunde oder noch was mehr mit schwatzen zubrachten: Also kundte er alles hören / und niemand durffte sich vor einem Verräther fürchten: Immittelst genoß er einer bessern Lust / als wenn er die artigste Comödie besucht hätte. Und was sind die Comödien selbst anders / als zusammen gesetzte Gespräche darbey sich der Zuschauer als ein Richter über frembde Worte belustigen sol.

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Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 22-23.
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