LXII.

[91] Ich sage das Leben sol erbauet werden. Das ist / man sol nichts schreiben / da nicht eine Tugend dem Leser eingepflantzet / oder zum wenigsten ein Laster mit durchdringenden Beweiß verdammet wird. Es sol alles zur Ehre GOttes geschehen. Nun weiß man daß GOtt seine Ehre nicht allein darinn suchet / wen ein Mensch die erste Gesetz-Taffel in acht nimt; sondern das ander Gebot ist dem gleich / daß man seinen Nächsten lieben sol. Und / O wie hoch möchte sich mancher Ausflügling bedancken / wen er aus solchen Schrifften seine eigene Thorheit verlassen / und klug werden wolte. Etliche Philosophi haben mit blossen Sprüchen / etliche mit Gleichnüssen oder Bildern / etliche mit Fabeln und Erzehlungen die unverständigen Leute auf den rechten Weg bringen wollen. Doch die Lehren sehen der kützlichen Welt zu sauertöpfisch aus; die Bilder wollen zu unser Zeit[92] in kostbare Kupffer gegraben / und derohalben wegen des theuren Kauffes / den armen und sparsamen Leuten verborgen seyn. Was ist nun zu thun? Ich meine die lustigen Historien / welche sich mit leichter Mühe durchlesen lassen / werden zum wenigsten so gut seyn / als ein gebratener Apffel / oder eine Ungerische Pflaume / darinn man die bittern Pillen unvermercket hinein schlucken kan.

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Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 91-93.
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