Erste Abtheilung.

Erforschung des Gewissens.

[809] Im Eingang der frölichen Geschichten, siehe im grünen Feld den HErrn bey dem Bronn, welchen der Alt-Vatter Jacob gegraben, sitzen; dargegen auch hierbey das samaritanische Weiblein stehen: der HErr zwar durstig nach dem Heyl. der Sünderin, gantz liebreich: das Weiblein aber willens für sich, nicht für den HErrn, Wasser zu schöpfen, gantz fremd: kommet durch ein annehmliches Gespräch in die Erkanntnuß ihrer selbsten, und bekennet dem HErrn, wie sie ein schändleches Leben unverheyrath mit fünf Männeren geführt, nun aber verlanget sie das lebendige Wasser, den Durst böser Begierlichkeiten auszulöschen, und des HErrn Gnad zu geniessen. O HErr! gib mir das Wasser, auf daß mich nicht dürste. Joh. 4. Also erkläret sie ihr Verlangen: folgends kommet sie in den Glauben, dieser ist Meßias, welcher mit mir redet: und bald entspringet in ihrem Hertzen ein aufquellende himmlische Freud, daß sie ihren Wasser-Krug bey dem Brunn verlassen, der Stadt zugeeilet, allen Leuten verkündiget, Christum einen Göttlichen Menschen habe sie gefunden, der ihr alles gesagt, was sie gethan: dixit mihi omnia, quæcunque feci: alles hat er mir gesagt, was ich gethan habe.

[809] Allen Sünder, und Sünderinnen gebe diese fröhliche Geschicht Anlaß, sich nicht zu dem Brunn Jacob, sondern zum Gnaden-Brunn Sacramentalischer Beicht zu verfügen: bevor aber um Gnad zu bitten, daß der allwissende HErr uns in die Erkanntnuß unserer selbsten bringe, und erleuchte, daß wir durch gute Nachforschung alle unsere Sünden erkennen, unseren entzündten Durst böser Begierden auslöschen, uns endlich erfreuen mögen, den allwissenden göttlichen Menschen, welcher die Sünd vergibt, samt seiner Gnad gefunden zu haben.


Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 809-810.
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