Zweyte Abtheilung.

Bereuung der Sünd.

[822] Magdalena ein grosse Sünderin, indem sie die Geschöpf, und nicht den Schöpfer: nun aber ein grosse Büsserin, indem sie den Schöpfer nicht die Geschöpf inniglich geliebt. Wie viel Freuden-reicher ist ihr büssende über alle sündliche Lieb gewesen. Ein Wüsten war ihr Hertz in dem fleischlichen Wollust, ist aber worden in ihrer Buß ein Lust-Garten der Engel. Ihre Zäher seynd worden zu einem Himmel-Thau der Erquickung: und der liebliche Geruch der zerbrochenen Alabaster-Büchsen zu einer Heil. Anreitzung vieler Seelen. Lasset uns nachlauffen dem süssen Geruch der ausgegossenen Salbe, lasset uns mit der büssenden Sünderin büssen, und lieben dene, welcher einen jeden beruffet, und spricht: du hast zwar mit vielen Buhlern Unzucht getrieben, jedoch kehre dich wiederum zu mir, so will ich dich annehmen. Jerem. 3. v. 1. Nun so seys, die unreine werd in ein reine Lieb veränderet: wer ein Liebhaber gewesen der Geschöpf, umfangen hat in seiner blinden Lieb das stinckende [822] Koth, der schäme sich seiner thorrechten Blindheit, wende sich zur Buß, suche Liecht und Gnad, und werde in der Reumuth ein aufrichtiger Liebhaber seines Schöpfers, und Herrn: lasse auch nicht nach zu lieben, wann schon jene liebreiche Wort über ihne, welche über Magdalena ausgesprochen wurden: viel Sünd werden ihr vergeben, dieweilen sie viel geliebt. Lieben, Lieben sey dein Leben: GOtt nicht lieben sey dein Tod: GOttes Lieb sey gantz ergeben: Reumuth zieht aus Sünden-Koth.


Hier werde beobachtet, wie die vollkommene, und unvollkommene Reu, welche die Gelehrte der H. Schrift Contritionem, und Attritionem, nennen, unterschieden werde.


Die vollkommene Reu hat den Antrieb von göttlicher Lieb, die unvollkommene wird nur von göttlicher Forcht angetrieben. Dolores inferni circumdederunt me, ruffet, und achzet die unvollkommene Büsserin: die Schmertzen der Höllen haben mich umgeben; lieber werde ich ins Closter zur Buß, als in die Höll zur Peyn kommen. Entgegen trauret, und klaget die vollkommene Büsserin, tibi soli peccavi, & malum coram te feci, dir allein O GOtt! hab ich gesündiget, und übels vor dir gethan: sie siehet weder Himmel, weder Höllen, sie bedauret allein, daß sie GOttes Gütigkeit beleydiget.


Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 822-823.
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