Das anderte Capitel.

Unvollkommene Reu.

[825] Landelinus.


Es seynd nicht wenig, welche mit Reumuth bedauren ihre Missethaten, doch nicht aus Anleitung göttlicher Lieb, oder Forcht, sondern allein aus zeitlichen, und menschlichen Bewegungen: Dero Reumuth bewehret nicht die zu Gnaden bringende Buß. Der Vollsauffer bereuet sein Trunckenheit wegen des Kopfwehe, welches daraus entstanden: ein verführte Jungfrau beweinet den Verlust ihres Ehren-Kräntzlein wegen des Verräthers, den sie in ihrem Leib tragt: Jener Dieb, und Mörder verdammet sein Diebstahl, und Mörderey; weilen er vor der Welt zu Schanden stehet, und dem Scharfrichter zu Theil wird. Dergleichen Reumuth, indeme er auf GOtt kein Absehen hat, ist nicht kräftig genug in der Beicht die Vergebung der Sünden zu erhalten. Die Boßheit, und Untreu, weilen sie GOtt den Schöpfer und Erlöser beleidiget, muß die bewegliche Ursach seyn unseres Reumuths.

Landelinus betheuret diese Wahrheit. Dieser war ein frantzösischer Edelmann von Valle bey Camerich gebürtig, zu Zeiten Königs Dagobert. Surius beschreibet den gantzen Verlauf dieser Geschicht. Den 15. Braelj-Monats. Seine Elteren vertrauten [825] ihn dem heiligen Bischof Autbert, als seinem Götten, der ihne aus der Tauf gehebt. Landelini blühende Jugend, und zarte Unschuld bewahret der Bischof mit mehr dann vätterlicher Lieb, und Treu. Der Knab erwachset, und nimmt zu in Wissenschaften, und Tugenden: die Jahr der Erwählung hat er nunmehr erreicht, der Bischof verlangte ihn in geistlichen Stand zu bringen, die weltliche Freund wolten ihn in weltlichem haben: wie Schad wäre es, ein so schöne Blühe den Freuden der Erden entziehen: Lieber Bruder, sprachen sie, was wilst du im Closter müssig sitzen? brauche den Welt-Lust, Ehr, und Reichthum, welche dir an die Hand gehen. Jungen Leuten ist leicht etwas lustiges aufgepfiffen, welches ihnen gefallt. Derowegen entlauft Landelin dem Bischof von dem sichern auf den gefährlichen Weeg: durchstreicht mit muthwilliger Gesellschaft in seiner Freyheit, die geliebten Felder aller Wollüsten, wird mittler Zeit ein Strassen-Rauber. Was sein verkehrtes Hertz angespunnen, und mit vielen Ubelthaten in das Werck gestellet, wolte er mit einem gedichten Namen verbergen, Maurosius genamset.


Viel Zeit flüchtig von Christo dienete er den Sünden, und war ein Werckzeug des Teufels. Unterdessen mit mehr dann vätterlicher geistlicher Lieb bedauret Autbert der fromme Bischof den bösen Landelin, höret nicht auf für ihn, als den verlohrnen Sohn, die grundlose Barmhertzigkeit GOttes zu bitten: er bekümmeret sich über ihn, beweinet ihn, als einen Todten: und GOtt, der ansiehet das Gebett der Demüthigen, hat des Bischofs Gebett angesehen, und erhört.

Bey nächtlicher Weil war Landelin mit seinen geschwornen Diebsgesellen in würcklicher Beraubung eines Hauses; der vermögliche Haus-Herr vermerckte die Mauser, ergreiffet mit seinen Bedienten Wehr, und Waffen, dringet auf die ungeladene böse Gäst, sie entlauffen, einer aber bleibt im Stich, und stirbt also verwundet dahin mit doppeltem Tod in der Ubermaß seiner Sünden übereilet. In Landelino verursachet dieser seines Rott-Gesellen Tod wehemüthige Gedancken: ja bey nächtlicher Stille hörete er ein erschröckliches Geschrey, und siehet des ermordeten Seel von höllischen Gespenstern gefangen, wasmassen sie in den Abgrund der Höllen, in die Versammlung der ewigen Peinen gestürtzet wurde: Es erschallet darauf eine englische Stimm, Landelin, sprach sie, wilst du dergleichen Unglück entgehen? verlasse die Werck des Sathans: thue Buß, nimm an die Ritterschaft des HErrn, folge dem guten Rath Autberti. O GOtt! es überfalle mich nicht dergleichen Unglück ruft Landelin: Es eröfnet die Höll ihren Rachen über mich, tief in vielfältige Sünden bin ich gesuncken, und meiner Missethaten seynd mehr, als Sand-Körnlein auf dem Ufer des Meers: Ach wehe meiner Boßheit! wie bedaure ich mich selbsten, daß ich von GOtt abgewichen, in Gefahr stehe der ewigen Verdammnuß.

[826] Mit also klagenden Seufzen macht er sich auf, reiset eilends nach Camerich, wirft sich dem Bischof Autbert zu Füssen beichtet alle seine Sünd und Laster. Der Bischof wohl ein gütiger Vatter nimmt den verlohrnen Sohn zu Gnaden an: eröfnet ihme die Brunn-Ader der göttlichen Barmhertzigkeit, reiniget ihn durch die sacramentalische Absolution, und erfreuet sich über sein Buß mehr, als der einen verlohrnen Schatz wiederum gefunden. Darauf ersetzet er büssend sein übles mit gutem Exempel, er hungeret seinen Leib aus, bettet inständig, und wachet in weltlicher bis er die geistliche Kleidung durch sein beharrliche Buß verdienet. Reiset dreymahlen nach Rom vollkommenen Ablaß zu holen, erhaltet vielfältige Gnaden, wird zum Priester geweyhet, stiftet etliche Clöster: Pabst Martinus verordnet ihn zum Abbten des Closters Crispinum. Sein strenge Buß erhebet ihn zur Heiligkeit, bis er in Frieden geruhet.

Felix, quem faciunt aliena pericula cautum: Glückselig der, welcher durch fremden Schaden witzig wird. Landelinum hat seines Rott-Gesellen Unglück zur Buß, zur Heilig- und Seligkeit gebracht. Die Forcht, daß er nicht gleiches Falls um Leib und Seel kommen möchte, hat in ihm die Reu über die Sünd, wie aus einem Stein das Feuer geschlagen. Unvollkommen war anfänglich diese Bereuung gleichsam aus dienstlicher Forcht erzwungen: Mittler Zeit ist sie in beständiger Bußfertigkeit worden zu einer vollkommenen, welche aus kindlicher Forcht, in göttlicher Lieb entzündet worden: Charitas foras mittit timorem 1. Joan. 4. v. 18. diese Lieb hat die dienstliche Forcht ausgeschlossen: dahero, eben allwo die Sünd hat überhand genommen, allda ist auch die Gnad überschwänglich grösser worden. Ad Rom. 5. v. 20.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 825-827.
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