Das zweyte Capitel.

Der Vorsatz erfordert Versöhnung.

[840] Ein dollsinniger Mann verwundet den König.


Im Königreich Catalonia zu Barcellona ware ein dollsinniger Mann, der ließ ihm bey Tag und Nacht etliche Jahr von Cron und Thron traumen, er wolte den König umbringen mit des Königs Blut, ihme [840] einen Königlichen Purpur-Mantel zu bereiten. Ferdinand der Catholische König in Aragonia und Hispania wird unversehens von diesem überfallen, mit einem Stillet in Halß gestochen, schwerlich verwundet, ja er wäre todt geblieben, wann der vergoldte Halß-Ring, welchen der König nach Kriegs-Brauch angetragen, den gewaltigen Stich nicht abgetragen hätte. Det Meuchelmörder wäre alsobald umgebracht worden, wann man nicht besorget hätte zu erforschen, ob etwann ein angespunnene Verrätherey hierunter verborgen. Der Uebelthäter wird angehalten, und ausgefragt, bekennet rund heraus keine Feindschaft noch einigen Haß habe er gegen den König, sondern aus innerlichen Antrieb ohne einiges andern Mitwissen habe er dieses gethan, willens was er angefangen, zu vollenden, sein Absehen sey König zu werden. Vernünftig scheineten seine Reden, bis er sein Absehen erkläret; dieses war der Schwindel-Geist seines Ehrgeitzes.

Nach allen Rechten war sein aufgeblasener Uebermuth, und vermessene Uebelthat sträflich, dannenhero verurtheilet zum Tod, als ihm seine Verurtheilung angekündiget worden, widersetzet er sich einige Versöhnung durch Abbitt mit dem König, oder durch die Beicht mit GOtt einzugehen. Verbitterte Gemüther wolten seinen zeitlichen und ewigen Tod, doch nicht Christliche. Isabella aber die Königin ließ ihr keinen so unchristlichen Gedancken einfallen, verordnet zwey Ordens-Priester, dieses armen Sünders Gemüth zu gewinnen, auf daß er zur Beicht bereitet, die Königliche, folgends in der Beicht auch die göttliche Gnad erwerben konnte. Der Geistlichen Mühe war eyfrig, aber des Uebelthäters Ehrgeitz verstockt. Die Wunden des Königs war der Königin höchst schmertzlich, es schmertzet sie doch auch dieses Menschen Bosheit. Die geistliche Vätter setzten nicht aus mit Bitten und Verweisen, mit aller Gedult und Lehr; GOtt sahe an dieser und der Königin flehentliches Gebett, der Uebelthäter wird erleuchtet, sein Marmorsteines Hertz wird endlich erweichet, den Ehrgeitz und bösen Willen lasset er fallen. Und damit er, Kraft einer aufrichtigen Beicht, von allen seinen Sünden entbunden werden möchte, ergibt er sich alles das bevor zu thun, was nothwendig erfordert wird. Nun aus einem Blutgierigen Löwen in ein sanftes Lämmlein veränderet, gab er mit Reden und Gebärden zu verstehen, wie hertzlich er bereue, daß er wider zwey ja drey Majestäten so greulich gesündigt, den König und die Königin, wie dann auch GOtt beleydiget habe. Indem er den Schaden nicht konnte, als mit demüthigster Abbitt ersetzen, willkührig mit scharffer Peyn hingerichtet zu werden, ließ er duch die zwey Ordens-Priester solche Abbitt erstatten. Der verwundte König nahme sie so gnädig an, als das beste Pflaster seiner Wunden, sie erfreuet auch gar sehr die Königin. Demnach hat er seine Beicht reumüthig verrichtet, [841] von seinen Sünden losgesprochen tapfer der wohlverdienten Straf sich ergeben; ist also ohne Zweifel der ewigen Straf entgangen. Joann. Eus. Nieremb. in Theopolit. l. 1. pag. 2. cap. 6.

Dieser arme Sünder ist nachkommen dem Befehl des HErrn, vor dem Versöhn-Opfer, das ist, vor der Beicht, gehe hin, und versöhne dich. Matth. 5. v. 24. Der König aber jenen Befehl, liebet eure Feind. Doch ohne Rachgierigkeit habe die Gerechtigkeit ihren Lauf.

Allein das Gold, percussum non sonat, das edleste Metall, wann es geschlagen wird, giebt es keinen Klang: Also wann der geschlagen wird, den die Christliche Tugend edel macht, der wird weder widermurren, noch drohen: gleichwie der HErr selbsten, der seinen Adel von der Gottheit gezogen, da er gelitten, nicht gedrohet. Nicht nur die, welche andere beleidiget haben, sondern auch die beleidiget worden, sollen der gäntzlichen Versöhnung nachtrachten. Das erfordert die Lehr, und das Exempel des HErrn: Und St. Paulus zu den Colossern am 3. v. 13. ermahnet: Einer übertrage den anderen, und vergebet einander, so jemand über andere zu klagen hat.

Hier taugt folgende Geschicht, welche im Leben St. Burgundophorä zu lesen.

Gibitrudis ein Closter-Frau, Burgundophorä Lehr-Jüngerin, wurde nach ihrem Tod mit grosser Verwunderung bald wiederum lebendig: Erzählet, wie es ihr vor dem Richter-Stuhl GOttes ergangen. Als sie gleich jetzt vom Heil. Engel dahin gebracht worden, begegnet ihr ein Stimm, welche ihr angekündiget, daß sie ihr neuliche Beicht unvollkommen mangelhaft verrichtet, einige Abwendung ihres Gemüths gegen etlichen Mitschwestern, welche sie mit Schmäh-Worten angegriffen, behalten habe: deswegen soll sie wiederum ins sterbliche Leben umkehren, sich mit denen, von welchen sie beleidiget worden, vergleichen mit einer besseren Beicht der göttlichen Gnaden theilhaftig machen. Darüber lebte sie noch sechs Monat, bittet alle die, von welchen sie beleidiget worden um Verzeihung, verzeihet ihnen gutwillig: Verrichtet demnach mehrmahlen ihre Beichten ohne allem Mangel vollkommentlich. Erkennet, und weissaget den Tag ihrer Abforderung: wird von einem Fieber ergriffen, stirbt heilig, und alsobald ergiesset sich ein lieblicher Geruch aus dem todten Leib, zum Zeichen, daß ihr reine Seel in süssen Geruch vor das Angesicht GOttes aufgenommen worden. Anno Christ. 610.


Was Gibitrudis ihrer Tugend halber in kleinen Beleidigungen leichtlich hat thun können, das hat Catharina Königin in Engeland gebohrne Infantin aus Spanien, mit Uberwindung ihrer selbsten, in grossen, offentlichen, überhäuften Beleidigungen Christ-löblichsten gethan. 1. Sie verzeihet Henrico dem Achten, demnach sie ihm über zwantzig Jahr ehelich treu gewesen, daß er sie aus dem Ehe-Beth verstossen, [842] in ihren Lebzeiten ein andere geheurathet. 2. Sie verzeihet ihm, daß er ihr alle königliche Ehr, auch den königlichen Namen mit Verbietung, niemand soll sie Königin nennen, hinweggenommmen. 3. Verzeihet sie ihm, daß er der siebenzehenjährigen Printzessin ihr Recht zum Königeich, als einer, welche beyder natürliche, nicht eheleibliche Tochter wäre, abgesprochen. 4. Neben andern mehrern Schmäh- und Verspottungen, welche ihr hin und wieder geschehen, verzeihet sie ihm, daß er ihr ihren Beicht-Vatter Patrem Joannem Forestum einen alten Franciscaner, welcher ihre Tugend mit seinem Geist allezeit gesteiffet, so unbarmhertzig entzogen, und in offentliche Gefängnuß geworfen. Das hat sie vom Jahr 1533. bis 1535. in ihrem betrübten Leben (wiewohl sie nach Billigkeit, und Möglichkeit ihr Ehr allezeit verfochten) dreymahl alle Wochen beichtend mit Hertz und Mund, vor dem Tod aber schriftlich in einem an König geschriebenen Brief mit diesen Worten gethan:


Allerdurchleuchtigster König, werthester Herr Gemahl.


Dieweilen sich die Stund meines Ableibens herbey nahet, erforderet die Lieb, mit welcher ich Euer Majestät allezeit geliebet, daß ich sie mit wenigen erinnere ihrer Seelen Seligkeit, diese sollen sie allen Gütern der Welt, und allen zergänglichen Dingen vorziehen etc. etc. Sie wissen, in was für grosse Widerwärtigkeit sie mich, sich selbsten aber in noch grössere Sorgen gesetzt haben. Ich aber verzeihe es Euer Majestät von Grund meines Hertzens, damit ihnen auch GOtt alles verzeihe etc. GOtt ist mein Zeug, vor allen sterblichen Sachen verlangen meine Augen Euer Majestät noch einmahl zu sehen. Geben zu Cumbalton, den 6. Jenner 1535. Catharina.


Nach geschriebenen, und überschickten Brief wurde sie gar bald aus dem unglückseligen, in das selige himmlische Engeland, ein Obsigerin der Untreu, und Rachgierigkeit, forderst ein Obsigerin ihrer selbsten zur immerdar verbleiblichen Cron der Glori beruffen, und abgesordert den 6. Jenner. Henric Spond. Annal. Eccl. tom. 2. 1536. item Anton. Bruodinus.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 840-843.
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