Das dritte Capitel.

Der Vorsatz verzeihet den Beleidigern.

[843] Zwey junge Herren, und ein Jungfrau.


Abbitten, und mit dem, welchen man beleidiget hat, Versöhnung suchen, ist ein rechtmässige Schuldigkeit nach Erforderung der Christlichen Lieb, und Gerechtigkeit. Aber mit dem, von welchen man beleidiget[843] worden, sich versöhnen, der Feindseligkeit mit Freundlichkeit begegnen, und das Unrecht ohne Haß, und Rachgierigkeit mit Gedult übertragen, ist ein gewaltig heroische, mehr himmlische, als irrdische Tugend. Vor der vollkommenen Beicht muß es doch geschehen; dessen beybringet ein schönes Exempel Sacchinus Hist. Soc. l. 6. fol. 282.

Zu Rothomago hat Pater Possevinus S.J. alle Freytag in der Fasten die Gefangene besucht, und mit Christlicher Ermahnung getröstet. Unter den Gefangenen waren zwey edle junge Herren, samt einer ehrbaren Jungfrau, weiland dero ihrer Frauen Mutter Bediente. Die junge Herren waren im Glauben Hugenotisch: die Jungfrau aber Catholisch. Diese waren mit falscher Inzücht überwiesen, als ob sie ihren ältesten Herrn Brudern (dessen entseelter Leib in einem Brunn gefunden worden) ermordet hätten.

Nach Ostern wird über alle drey das Urtheil vom Leben zum Tod gefället. Die junge Herren waren hoch von Person, vom zierlichen Angesicht, gantz adelich: neulich abgesagte Feind, nun Freund unsers Catholischen Glaubens, vom obgedachten Pater unterrichtet, und bekehret. Diese beruffen jetzt genennten Priester zu sich, klagten ihm, sprechend: Mein Pater, mit Unrecht seynd wir drey zum Tod verurtheilet: sterben müssen wir, wiewohl ohne Schuld: wir bitten, der Pater stehe uns bey, weilen der Pater uns zum seligmachenden Glauben, so wird er uns auch zur Seligkeit bringen.

Der Pater beredet sie, erstlich ihre Unschuld dem aufzuopfern, der gantz unschuldig für uns am Creutz gestorben: darnach, denen Anklägern, und Richtern hertzlich zu verzeihen. Welches die Jungfrau aufrichtig, die zwey junge Herren gantz großmüthig gethan. Demnach verrichten sie ihre Beichten, werden von ihren Sünden loßgesprochen, und durch die göttliche Gnad gestärcket, betheuren ihr Unschuld vor dem Volck, und wasmassen sie allen denen verzeihen, welche zu ihrem so scharfen Tod mit gewürcket haben, und sterben durch die Hand des Scharfrichters.


Es verstriche ein kurtze Zeit, und die Unschuld der Hingerichten kommet an das Tagliecht: der Ubelthäter, welcher den Aeltesten aus den Brüdern aus Haß in Brunn gestürtzet, wird verrathen, eingezogen, zur scharfen Frag gestellet, bekennet, daß jene unschuldig, er allein schuldig, auch gern sterben wolle nach seinen strafmässigen Verdiensten.

O wie wunderbarlich ist die Vorsichtigkeit GOttes! Nichts ist so klein gespunnen, es kommt an die Sonnen. Die Unglückseligkeit dieser jungen Herren hat sie zur Glückseligkeit des Catholischen Glaubens gebracht: und der Verlust des zeitlichen, hat ihnen das ewige Leben gewonnen: ihr Beicht mit dem Vorsatz die falsche Innzücht gedultig ohne Rach, und Haß zu leiden, hat ihnen die immergrünende fröhliche Marter-Cron erworben.

[844] Vor der Beicht müssen alle Fackel der Furien abgelöscht, die liecht- und brinnende Ampel der Christlichen Lieb angezündet werden. Die Feindseligkeit, und Rachgierigkeit müssen in Kraft des Vorsatzes sich zu bessern abgeschaft, und vertilget werden: entgegen Versöhnung, Einigkeit, und Fried in das Gemüth eingeladen, wie ein heller Frühlings-Tag anbrechen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 843-845.
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