Das zweite Capitel.

Ein guter Beichtvatter beruffet die Sünder zur Beicht.

[856] P. Bernardus Colnagus.


Von Bernardo Colnago der Gesellschaft JEsu Priestern wird gelesen, was massen er sein Predig-Amt mit dem Beichthören zusammen gestimmet in jenem, wie ein erhebte Posaun sich hören lassen, in diesen das anmüthige Klag-Lied der Turtel-Tauben angehöret. Er predigte von der Buß, und vollkommenen Beicht, berufte die Sünder: Kommet zu mir alle grosse Sünder, die ihr auch von vielen Jahren belästiget seyet, kommet zur Abladung der schweren Burd, daß ihr euch zeitlich, und ewig frolockend erfreuet in der Barmhertzigkeit GOttes. Er sprach, gesetzt es wären etlich Zuhörer, die fünftzig oder sechtzig Jahr gar nicht, oder nicht aufrichtig gebeichtet hätten: kommet, saumet euch nicht, brauchet die annehmliche Zeit, mit einem Wort, werfet von euch die Burd eurer Laster.

Nach vollendeter Predig eileten zu ihm viel, dieweil er so liebreich eingeladen: unter andern einer, welcher fünf und zwantzig, ein anderer, welcher fünftzig Jahr den Beichtstuhl, gleich einem Nothstall eines Scharfrichters geflohen: eben diese fanden nach verrichter Beicht drey unvergleichliche Sachen, Trost, Freud und Fried, dergleichen sie niemahlen [856] in ihren Sünden gefunden. Sie vermeinten vorhero ein Unmöglichkeit ihre Sünden genug erklären, doch in einer, oder anderthalb Stund wurd alles sattsam verrichtet: sie sprungen, wie lang verstrickte, nun abgelößte Hirschlein, und fliegeten frey, wie aus des Habichts Kreillen gerissene Tauben.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 856-857.
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