Das fünfte Capitel.

Pabst Innocentius, leget auf ein geringe Buß einer schweren Sünderin.

[884] Das Amt des Beichtvatters ist dreyerley, 1. eines Richters, 2. eines Vatters, 3. eines Artztes. Und zwar eines Vatters in Mitten, zwischen [884] dem Richter, und Artzt: damit nicht etwann die Straf zu scharf, die Artzney zu bitter: Er gehe mit dem Sünder um, gleich wie unser liebreiche Heyland umgegangen: Er soll dem Samariter mit Oel gemischten Wein in die Wunden einfliessen.

Innocentius der Dritte dieses Namens Pabst, höret das klägliche Geschrey einer Frauen, welche mit ihrem Fätschenkind um Gnad und Ablaß zu finden, bey dem Obristen Hirten der Christenheit, nach Rom gekommen. Offentlich bekennet sie ihr grosses Verbrechen, erlanget auch ein vätterliche Buß und Vergebung. Der Verlauf wird von Cælario lib. 2. Illustr. Mirac. cap. 11. auf folgende Weis beschrieben.


Im Jahr 1216. das ist, in letztem Jahr seines Pabstthums, ist ein Frau mit unziemlicher Begierd, gegen ihrem erwachsnen Sohn so weit gekommen, daß sie ihn, und sich in ein greuliche Blut-Schand gebracht, schwanger worden, und nach Verlauf neun Monaten, einen andern Sohn, welcher des ältern Sohn und Bruder, ihr Sohn und Enckel zugleich gewesen, auf die Welt gebohren. Gleich einem starcken Wein wurd diese Sünd hinein getruncken, aber demnach hat sie wie ein Schlang gebissen. Das Gewissen gab ihr keine Ruhe, beisset und naget ohne Unterlaß bey Tag und Nacht: solcher ängstiger Noth war kein andere Zuflucht oder Hülf, als bey dem Beichtvatter, dieser befande nothwendig und heilsam, sie nach Rom zum Obristen Priester zu schicken. Wie beschwerlich, so willkürig nahm sie diese Buß auf sich, noch ein beschwerlichere bey dem Gnadenstuhl des höchsten Seel-Sorgers abzuholen.

Das Pfand ihrer Lieb und Leid, ihr eingefätschtes Kindlein trug sie mit sich, bis sie Rom die Hauptstadt der Welt erreichet hat. Da bewerbet sie sich Ihro Päbstlichen Heiligkeit vor Augen, und Füssen zu kommen: Aber die Menge des durchdringenden Volks verhinderte überall. Dene sie mit Durchdringen nicht konte, den wolte sie mit lautem Geschrey erreichen, ruffend: Heiligster Vatter Barmhertzigkeit, Barmhertzigkeit über ein grosse Sunderin. Das Geschrey war mit einem kläglichen Wehemuth vermenget, durchdrang Ohren und Hertzen. Männiglich siehet um, woher solches kommet, machet auch ihr Raum bis sie zum Pabsten genahet. Alsobald fallet sie auf ihre Knie nieder, bekennet vor allen die verübte Blut-Schand, beweisend, daß jenes, welches sie auf den Armen getragen, das Kind seye ihrer greulichen Ubelthat: Ach! wie schmertzet mich mein Sünd, heiligster Vatter, wieviel tausendmahl wolt ich lieber nimmer meinen GOtt beleydiget haben klaget und ruffet sie. Nach vernommener offentlicher Beicht, wurd der Pabst zu einem vätterlichen Mitleiden bewegt, legt ihr nichts anders auf, als sie solle die Tracht ihrer Kleidung verändern, und in einer kurtzen Zeit wiederum kommen. Demnach sie solches gethan, anstatt ihrer Kleider, [885] schlechte, doch weise leinene angeleget, kommet sie zum zweytenmahl zum Pabsten, bittet flehentlich um Entledigung und Ablaß, erhaltet auch alles nach Begehren, mit diesem Ausspruch: deine Sünd seynd dir vergeben, wandle im Frieden.

Dergleichen Sünd haben zwar vor Zeiten ihre aufgesetzte Straffen gehabt, welche sich in die fünfzehen Jahr erstrecket haben: Dieweilen aber die Reu und Leid dieser Frauen so bitter und groß, wie das Meer, so ist die Bescheidenheit des Pabsten so hell, und ring wie der Himmel gewesen.


Einem Fürsten der Heil. Römischen Kirch, wolte diese des Pabsten Gütigkeit nicht gefallen, beredet Ihro Päbstliche Heiligkeit, sprechend, in Gegensatz einer so schweren Sünd, und einer so geringen Buß scheinet es kein gerechter Ausspruch, eine solche Sünderin nur mit Veränderung der Kleider zu entlassen: Der heiligste Vatter antwortet, GOtt der alles erkennet, urtheilet zwischen mir und dir: so ich gesündiget, so straffe er mein ungerechtes, oder aber dein freventliches Urtheil, so du gar zu streng eifferest.

Es geschiehet, diesen Fürsten ergreiffet gar bald der böse Feind, peiniget und quälet ihn, daß er sein Schuld erkennet, dermassen theur büssen und bezahlen müssen. Mit dem Gebett der gantzen Gemein, wurd er endlich von seinem so üblen Gast erlediget, zugleich gewitziget, mit den büssenden Sündern gnädiger zu verfahren. Memento Domine David, & omnis mansuetudinis ejus. Mit Sanftmuth gewinnt man die Gemüther. Valerius l. 6. c. 5. Seleucus der Locrenser König wolte lieber ein Aug, als daß sein Sohn beyde solt verliehren. Joannes Eusebius Nierembergius nahme einen Theil der Buß auf sich, damit seine Beicht-Kinder nicht beschwäret, sondern auch getröstet wurden, er bath GOtt dero Leibs-Gepresten theilhaftig zu werden, und wurd erhöret. Nicht mit Trompeten und Heerpaucken, sondern in lieblichen Harpfen-Klang, wurde der Plag-Teufel vom König Saul vertrieben.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 884-886.
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