Fünfte Begebenheit.

Der Englische Gruß von einem lasterhaften Edelmann täglich gebettet, verhindert, daß ihn der böse Geist nicht konte wegführen.

[425] Dieser hatte neben einer offenē Landstraß ein Schloß, auf welchem er allen, so vorbey reiseten durch seine Bediente nachstellen, und selbige ohne alle Barmhertzigkeit ausplünderen liesse. Doch hatte er diesen löblichen Brauch, daß er die Mutter GOttes täglich mit dem Englischen Gruß zu verehren pflegte; welche Gewohnheit er keinen Tag, mit was Geschäften er auch immer beladen war, unterliesse. Nun begabe [425] es sich auf eine Zeit, daß ein gottseeliger Ordens-Mann daselbst vorbey reisete, welchen die Bediente gedachten Edelmanns gleich anpackten, und ihn ausplünderen wolten. Er batte sie aber, sie wolten ihn doch für ihren Herrn kommen lassen: dann er hätte mit ihm von wichtigen Sachen zu reden. Wie er nun für den Edelmann kommen, bate er ihn, er wolle alle seine Bediente, so in dem Schloß waren, lassen herbey kommen: damit er ihnen eine heylsame Lehr vortrage. Der Edelmann bewilliget in sein Begehren; und gibt also Befehl, daß sich alle einstellen sollen. Das geschahe dann. Alle erschienen; ausser des Edelmanns Kam mer-Diener. Da batte der Ordens-Mann, man solte auch diesen herbey führen. Nun der kommt; allein sobald er den Ordens-Mann gesehen, verkehrte er die Augen im Kopf, und stellte sich gantz unwürsch und zornig. Aus welchem der Ordens-Mann aus göttlichem Eingeben gleich erkennet, wer er seye. Fanget also gleich an, ihn zu beschwöhren, und befihlet ihm in Kraft des allerheiligsten Namens JEsus, offentlich zu bekennen, wer er seye, und warum er sich bey dem Edelmann aufhalte. Da antwortet er mit greulichem Geschrey: weil du mich durch den ausgesprochenen Namen beschwörest, so muß ich (wie wohl ungern und wider meinen Willen bekennen) daß ich kein Mensch, sondern ein höllischer Geist seye, und mich aus Befehl meines Obersten des Lucifers nunmehr in die vierzehen Jahr lang in menschlicher Gestalt bey diesem Edelmann aufgehalten, auf ihn acht zu geben, wann er einen eintzigen Tag den englischen Gruß wurde auslassen. Dann in solchem Fall hätte ich von GOtt den Gewalt bekommen, ihne mit Leib und Seel mit mir in die Höll zu führen. Solches aber hab ich bishero nicht ins Werck setzen können; dieweilen er alle Tag (keinen ausgenommen) Mariam mir dem englischen Gruß verehret hat. Als der Edelmann solches gehört, fiele er dem Ordens-Mann zu Füssen, und versprache Besserung des Lebens. Der Ordens-Mann aber wendete sich zu dem bösen Geist, und befahle ihm sich alsobald hinweg zu packen, und an ein solches Ort zu begeben, allwo er keinem Menschen schaden könte. Auf diesen Befehl verschwande der böse Geist; und der Edelmann wurde aus der Gefahr des ewigen Verderbens errettet. Ex. cit. lib. c. 15. Exempl. 3.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 425-426.
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