Achte Begebenheit.

Ein Ehebrecherischer Graf in Franckreich wird durch den Psalter den ihm seine Gemahlin bey nächtlicher Weil ohne sein Vermercken unter das Haupt-Küssen gelegt, wunderbarlicher Weis zur Bekehrung veranlasset.

[429] Dieser Graf die Ehr seines Ehe-Beths auf die Seiten setzend, hatte sein Leben mit so vielen Lasteren angefüllet, daß er durch kein Mittel, noch Zusprechen davon konte abgehalten werden. Deswegen seine Gemahlin sich darüber ärgerend, den Entschluß gefaßt, ihrem Herrn zu Trutz, und sich an seiner Untreu zu rächen, ein gleiches Leben zu führen, der verbottenen Lieb auch das Rädlein lauffen zu lassen, bey sich verzweifelter Weis gedenckend: gelte es dem Herrn, so gelte es auch der Frau.


Aber siehe Wunder! indem sie mit solchen Gedancken umgeht, begiebt sie sich aus lauter Melancholey in ihre Schlaf-Cammer, setzt sich auf einen Sessel, und wird mithin vom Schlaf überfallen. Währenden diesem Schlaf wird sie in die Hölle verzuckt, und siehet, was für entsetzliche Pein und Qual diejenige ausstehen müssen, welche die Ehr ihres Ehe-Beths befleckt haben. Worüber sie einen solchen Schröcken empfunden, daß, nachdem sie erwachet, sie fast von Sinnen kommen; bis sie sich endlich erholet, ihre ehebrecherische Gedancken geändert, dem H. Dominicus (so damahls noch bey Leben war) zugeloffen, und gebeichtet hat: der ihr dann kein andere Buß (wie sie selbst bekennt) als nur einen eintzigen Psalter zu betten auferlegt hat. Sie aber mit diesen nicht zufrieden, liesse sich noch darüber in die Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes einschreiben, dero vorgeschriebenen Psalter sie 15. Täg aneinander gebettet: welches dem gedachten Heil. Mann (der auch für das Heil des Grafens besorgt war) Gelegenheit gegeben, ihr zu rathen, diesem ihrem treulosen Herrn den Psalter, den der Heil. Mann selbsten an seiner Gürtel truge, 3. Nächt nacheinander, ohn sein Vermercken, unter das Haupt-Küssen zu stecken, und im übrigen JEsu, und Mariä seiner werthisten Mutter, die gantze Sach zu überlassen. Was geschiehet? O [429] wunderbarliche Würckung des Psalters! da der Graf die erste Nacht (wiewohl unwissend den Psalter unter dem Haupt-Küssen gehabt) hat er die Abscheulichkeit seiner Sünden erkennt, und am gantzen Leib so erbärmlich gezittert, daß er mit Zäherfliessenden Augen seine Gemahlin um Beystand anzuflehen genöthiget worden.


Die anderte Nacht kame ihm vor, als seye er schlaffend für den strengen Richter-Stuhl GOttes beruffen, und aller seiner begangenen Mißhandlungen halber angeklagt worden, und das mit solchem Ernst, und genauer Versicherung, daß, als er aus dem Schlaf erwachet, vor Forcht und Schröcken schier dahin gestorben. Woraus dann erfolget, daß er seine Gemahlin in besseren Ehren gehalten, und mit ehelicher Treu geliebt hat.


Endlichen und in der dritten Nacht wird er im Geist verzuckt: da er dann gesehen, und einiger massen auch in etwas empfunden hat jene unaussprechliche Pein und Plag, so diejenige ausstehen müssen, welche im Ehebruch gelebt haben. Wie ihm bey so bewandter Sach werde um das Hertz gewesen seyn, kan sich ein jeder leichtlich einbilden. Ohne Zweifel wird er darfür gehalten haben, es seye mit seinem Heil gethan, und werde er immer und ewig in den höllischen Flammen brinnen und braten müssen. GOtt aber schicke ihm einen Engel, der ihm seine bishero begangene Laster mit scharfen Worten verwiesen; mithin aber angezeigt, daß noch Gnad vorhanden, und letztlich diese Wort gesprochen: Dancke dem grundgütigen GOtt, der sich deiner erbarmet hat; sonst wärest ewiglich verlohren. Siehe aber zu, daß du hinfüro dein Leben ernstlich besserst, und dir den Psalter der allerseligsten Mutter GOttes, durch welchen du (wiewohlen er allein deinem Haupt unterlegt worden) dem ewigen Untergang entronnen, lassest anbefohlen seyn, und deine Gemahlin treulich liebest. Also kame der Graf aus dem Land der Finsternuß zurück; aber gantz verändert. Das erste, so er vornahme, ware dieses, daß er seine bishero so übel gehaltene Gemahlin um Verzeihung gebetten, und ihr forthin getreu zu seyn versprochen. Hernach verfügte er sich samt allen denen Seinigen zu dem H. Dominicus, und liesse sich in die Brüderschaft des Heil. Rosenkrantzes einschreiben; er zeigte auch einen solchen Eifer, daß er den Psalter nicht allein mit möglicher Andacht forthin gesprochen; sondern auch selbigen niemahlen aus den Händen gelassen. Verkündigte noch dazu aller Orten die Vortreflichkeit dieser Andacht, durch welche er erlangt, daß er mit seiner Gemahlin in aufrichtiger Treu und Liebe gelebt, und mit ihr nicht wenig Kinder erworben hat. Seynd auch beyde in Beyseyn der Himmels-Königin auf einen Tag- und Stund gottseliglich verschieden, und zu Paris in [430] der Haupt-Kirschen bey unser lieben Frauen in einem Grab beygesetzt, und beerdiget worden. Nierembergius 8. J. in Trophæo Mariano. 1. 4. c. ex Alano.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 429-431.
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