Acht und zwantzigte Begebenheit.

Ein Verstorbener kommt wiederum zum Leben, und bekennet eine von vielen Jahren her in der Beicht verschwiegene Sünd.

[570] Hans Fontanaz, gebürtig aus einem Dorf, so da in dem Freyburgischen Gebiet in Uchtland liegt, ware durch eine tödtliche Kranckheit schon dahin gebracht, daß er mit allen HH. Sacramenten mußte versehen werden, worauf er würcklich gestorben, nachdem er eine gute Weil zuvor in denen Zügen gelegen, den 12. April im Jahr 1684. wie alle Gegenwärtige, und er auch selbst hernach, da er von neuem zum Leben erweckt worden, ausdrucklich bekennt, und bezeuget hat. Eine Viertelstund ware schon vorbey, als der Verstorbene unversehens wiederum aufstunde, sich ankleydete, die Stuben auf und ab gienge, endlich mit grossem Schröcken denen Gegenwärtigen sagte, man solle ihme seinen Pfarrer noch einmahl kommen lassen, dann er ihm noch etwas zu beichten habe. Immittelst als einer nach dem Pfarrer abgefertiget wurde, erzählte er alles den Gegenwärtigen mit allen Umständen, was er nachmahls vor dem gegenwärtigen Priester erzählt hat. Wem ware diese Zeitung fremder, als eben dem Pfarrer, der kurtz vorhero diesem Sterben den nicht allein beygestanden, sondern ihm auch jetzt schon Verstorbenen die Augen hatte zuschliessen gesehen; Darum konnte er von dem Botten auf keine Weiß dahin beredt werden, mit ihme zuruck zu kehren, daß also der Bott genöthiget war, sich bey des Pfarrers Caplan anzumelden. Dieser folgte dann unverweilen, und kaum ware er in die Stuben hinein getretten, da schrye gleich jener mit lauter Stimm auf: O Herr Caplan, ich ware schon gestorben, und bin vor GOttes Gericht gestanden, allwo ich wegen einer gewissen Sünd, so ich vor 20. Jahren begangen, überzeugt, und zur Höllen verdammt worden: und als ich schon den Teuflen, welche gegenwärtig auf mein Seel warteten, sollte übergeben werden, tratte in solchen Aengsten die Mutter GOttes in das Mittel, widersetzte sich denselben, und warfe sich zu den Füssen JEsu Christi ihres Sohns meines Richters nieder, bate denselben um Fristung meines Lebens, damit meine Seel zu meinem Leib kehren, und ich mich mit dem lieben GOtt, vermittelst vollkommener Beicht, versöhnen könnte. Sie erhielte es auch, und gabe mir darauf Fristung des Lebens [570] auf 24. Stunden hin mit dem Befehl, daß ich innerhalb solcher Zeit die verschwiegene Sünd beichten, und darüber Buß thun sollte. Zu denen bösen Geisteren aber sagte sie, als sie die Seel wollten hinweg nehmen, die Seel seye noch da, und müsse nicht hinweg gerissen werden, bis die Beicht inner halb 24. Stunden wurde abgelegt worden seyn. So viel redete er in Gegenwart des Herrn Caplanen. Ehe aber und bevor derselbige kommen, gabe er neben anderen schon erzählten auf eine ihm gethane Frag, ob es aus Vergessenheit geschehen, daß er die begangene Sünd nicht gebeichtet habe, diese Antwort, wann es aus Vergessenheit geschehen wäre, so wäre ich nicht da. Der Caplan neben anderen solches anhörend wußte anfänglich nicht, wie er sich finden möchte. Nachdem er sich aber ein wenig aus der Verwunderung erhohlete, probirte er ihn auf unterschiedliche Manier, und fragte endlich, ob er nicht etwan mit Betrug umgehe? darauf antwortete jener, er seye niemahlen mit Betrug umgangen, so wenig, als er begehre gleich jetzunder zu beichten. Bate beynebens, daß man diß Wunder allenthalben ausbreiten sollte, anderen zum Exempel und Warnung. Nach einiger darzwischen verloffener Zeit, nachdem gedachter Herr Caplan seine Beicht, um dessentwillen er ersucht wurde, angehört, fragte er den Fontanaz um die Ursach solcher ungemeinen Gnad, welcher zur Anwort gabe, das seye geschehen wegen etwelchen zur Ehr der Mutter GOttes verrichteten Wallfahrten, und sonderlich deren, die er nacher Einsidlen gethan; aber voraus um der letzten willen, welche er dahin bey üblem Wetter, und Schnee mit ziemlicher Beschwerlichkeit hätte verrichtet. Welches letztere auch von seinen Bekannten bestätiget wurde; daß er nemlich von 8. oder 9. Jahren her alle Jahr eine Wallfahrt nacher Einsidlen gethan hätte. Die übrige gantze Zeit nach der Beicht, da er allezeit wie zuvor bey gutem Verstand bliebe, brachte er zu mit grosser Reu über seine Sünden; ermahnete auch die Gegenwärtige zur Forcht GOttes, Haltung seiner Gebotten, und Ubung der guten Wercken, als durch welche Ding die unaussprechliche Peyn der Höllen, welche er samt dem Fegfeur gesehen hatte, vermeydet wurde; und insonderheit zur Verehrung der Mutter GOttes, als dero niemahlen etwas umsonst gethan werde. Zuletzt sagte er zu seinen Befreundten, jetzt sterbe er wohl getröst, und möchte wünschen, daß alle in einem solchen Stand wären, wie er seye. Noch ferners wurde dieses von denen, so gegenwärtig waren, bezeuget, daß er Fontanaz von der Zeit an, da er vor GOttes Gericht erschienen, wegen ausgestandenem Schröcken die 24. Stund hindurch immerdar gezittert, auch neben anderm gesagt, daß, als er vor seinem Richter erschienen, und ihm alle seine Sünden seyen vor Augen gelegt worden, da habe ihm Christus seine allerheiligste Wunden vorgewiesen Casparus Lang in seinem Theologischen[571] Grundriß 2ten Buch, 5ten Cap. 6ten Articul, §. 13. von dem Gotteshaus Einsidlen. Addens, contingentiam hanc ab Ordinaris loci ritè fuisse examinatam, & pro vera agnitam.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 570-572.
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