Vierte Begebenheit.

Ein Schwörer laßt sich bereden, als hätte ihn GOtt mit der Blindheit gestraft, und dieses Bereden war Ursach, daß er nachgehends vom Schwören abgelassen.

[488] Es kamen einstens drey junge Cameraden; die setzten sich nach dem Nacht-Essen in einer Schlaf-Kammer an einem Tisch, und spihlten mit Karten. Einer aber aus ihnen war so unglücklich, daß er alle Spiel verlohre: welches ihn dann also verdrossen, daß er greulich zu schwören anfienge. Es mahnten ihne zwar die andere ab: allein es halffe nicht allein nichts; sondern er fuhre fort, nur ärger zu schwören. Endlich nachdem er alles Geld verspielt, stunde er vom Tisch auf; und weil es schon spat Nacht war, begabe er sich in die Ruhe. Die andere wünschten ihm zwar eine gute Nacht; mahnten ihn aber, er solle nicht einschlaffen, er hätte dann GOtt vorher um Verzeyhung gebetten, wegen dem greulichen Schwören, mit welchen er ihn beleydiget habe: widrigen Falls hätte er nichts anders, als die verdiente Straf zu gewarten. Mit dieser Ermahnung liessen sie ihn ins Beth gehen; sie aber blieben beysamen, und setzten das Karten-Spiel fort. Es stunde nicht lang an, da schlieffe der Schwörer ein, und fienge an, starck zu schnarchen. Wie die andere das gehört, sagten sie zusamen: laßt uns diesem Gesellen einen Possen spielen; damit wir ihm ins künftig das greuliche Schwören verleyden mögen. Zu diesem End löschten sie das Liecht aus, also daß alles in der Schlaf-Kammer dick finster war. Darauf hin thaten sie dergleichen, als wann sie immerzu im Spielen fortfuhren, Warffen demnach die Karten aus, zanckten miteinander, welcher aus ihnen mehr ausgeworffen, und fiengen zu letzt ein solches Geschrey an, daß der Schlaffende davon erwachet. Und wie er gehört, daß dieses Zancken und Schreyen unter den Spielern wegen Auswerffung der Karten entstanden, mithin aber wahrnahme, daß in der Kammer alles dick finster, sagte er zu ihnen: ihr Narren! wie könnet ihr in der Finstere wegen Auswerffung der Karten miteinander [488] zancken? Ihr sehet ja nichts? Folgsam kennet ihr auch die Karten nicht. Die Spieler aber sagten zu ihm: halts Maul: was soltest du wissen? Du schlaffest ja noch halb; lasse uns machen, und schlaffe du fort: das wird besser für dich seyn. Diese Wort machten den Schwörer glauben, die Spieler müssen ein Liecht haben, welches er vielleicht wegen schläfferigen Augen nicht habe sehen können. Demnach liesse er sie fort spielen, und schlieffe mithin wiederum ein. Es stunde aber nicht lang an, da fiengen die Spieler auf ein neues an der Karten halber überlaut zu zancken; indem ein jeder behauptete, er habe so und so viel Augen ausgeworffen. Ruften also dem Schlaffenden, er solle aufwachen, und Schidmann seyn. Als dieser darüber erwachet, und gehört, was sie an ihn begehrten, sagte er: seyd ihr doch nicht Narren? Wie kan ich einen Ausspruch thun, welcher aus euch beyden mehr ausgeworffen? Zündet vorher ein Liecht an: alsdann will ich sehen, was ein jeder für Karten hab. Die Spieler sagten; was brauchts ein Liecht anzünden? siehest dann das Liecht nicht vor dir? Nein fürwahr, antwortete der Schwörer, ich siehe nicht den geringsten Glantz von einem Liecht. Wie? (fuhren jene fort zufragen) du siehest nicht den geringsten Glantz? Ihr habts schon gehört (antwortete der Schwörer) was ich gesagt hab. Hol mich der Guggu! wann es anderst ist. Wie die Spieler diese Antwort vernommen, thaten sie dergleichen, als wann sie höchst darüber bestürtzt wären. Ach! sagte einer aus ihnen: es ist mir vorgangen, GOtt werde dich straffen, wegen deinem greulichen Schwören. Ohne Zweifel hat er dich darum lassen blind werden; jetzt bist ein armer Tropf: was wilst anfangen? Wie der Schwörer das gehört, fienge er an bitterlich zu weynen, und sagte: ach! so bin ich dann blind? O GOtt! verzeyhe mir, was ich gethan hab: ich bekenne meinen Fehler. Indem er also sein Unglück bejammerte, thate einer aus denen Spieleren (um ihme noch ängster zu machen) dergleichen, als hielte er ihm ein brinnende Kertzen vor die Augen, um zu sehen, ob vielleicht selbige mit einem Häutlein überzogen wären? Weil aber nichts wenigers, als dieses an der Sach gewesen, sagte er: ach! wie hat er so helle Augen! und siehet doch nichts! wahrhaftig, das ist eine handgreifliche Straf GOttes. Aber was ist zu thun? du mußt dich halt dieser Straf, als welche du wohl verdient hast, in aller Unterthänigkeit unterwerffen: wer weißt, ob sich GOtt deiner nicht wird erbarmen, und dir das vorige Gesicht wiederum geben? Nach ertheiltem diesem Trost, begaben sich die Spieler auch in die Ruhe; der Schwörer aber seuftzete zu GOtt, und thate ein Gelübd über das andere, sein Lebtag keinen Schwur mehr zu thun, wann er das Gesicht wiederum bekommen solte. Als er sich nun mit langen Seuftzen abgemattet, schlieffe er wiederum ein. Da es aber [489] Tag worden, und aus dem Schlaf erwacht; mithin die Augen aufgethan, und alles, was in der Kammer war, gesehen, erstaunete er darüber, und glaubte vestiglich, es wäre ein Mirackul mit ihm geschehen: und das um so viel desto mehr; weil ihn die andere in seinem Glauben stärckten, und ermahnten, nicht allein GOtt hertzlich zu dancken, sondern auch die Gelübd, so er gethan, heiliglich zu halten. Deme er auch fleißig nachgekommen; alldieweilen er forthin fromm gelebt, und sein Lebtag kein Schwur mehr gethan. Avantures plaisantes; ou Recreations Francoises. Tome II. a Cologne 1722.


O daß allen Schwöreren ein solcher Poß gespielet wurde; wie hätten sie darum zu dancken! dan ein solcher unschuldiger Betrug wurde bey ihnen mehr zuwegen bringen, als bis dato die Trohungen der Höll nicht vermöcht haben. Unter dessen wolle ein jeder bey sich selbst also gedencken: wann mich GOtt hätte lassen blind gebohren werden, für was grosse Gutthat wurde ich es gehalten haben, wann er mir nachgehends das Gesicht ertheilt hätte! und wie wurde ich mich gehütet haben, ihm solche Gutthat nicht mit Schwören, oder anderen Sünden zu vergelten! nun hat mir GOtt diese Gutthat schon in meiner Geburt gethan. Wie solle ich dann selbige erkennen, und mich hüten, darfür nicht undanckbar zu seyn! welches aber geschehen wurde, wann ich auch nur einen eintzigen ärgerlichen Schwur thäte. Darvor wolle mich GOtt behüten.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 488-490.
Lizenz:
Kategorien: