Viertzigste Begebenheit.

Zwey fürwitzige Ordens-Brüder werden von einem in einer Wüste wohnendem Alt-Vatter, ihres Undancks halber, artiglich bezahlt.

[589] Ehebais ist ein gewisse Landschaft in Egypten. In dieser zählte man zu alten Zeiten über 1000. Mönchs-Clöster. In einem dieser Clöstern kame auf eine Zeit 2. Ordens-Brüder der Lust an, zu sehen, wie die Alt-Vätter in der nächst-gelegenen Wüste lebten. Nachdem sie nun von ihrem Abbt die Erlaubnuß erhalten, begaben sie sich eines Tags vor Aufgang der Sonnen in besagte Wüsten, und als sie eine Zeit mit einander fortgangen, ersahen sie von weitem ein Wald-Bruder Häuslein. Diesem dann giengen sie zu, und als sie dort angelangt, und angeklopft, kame zu ihnen heraus ein Ehrwürdiger Alt-Vatter, und als er verstanden, daß diese 2. Brüder kommen wären, ihne heimzusuchen, erfreute er sich über ihre Ankunft, umfienge sie mit beyden Armen, und führt sie mit sich in sein Häuslein, und weil sie von langem Gehen müd waren, hiesse er sie auf einen Banck niedersitzen. Und da sie also ausrasteten, bereitete er unterdessen ein warmes Fuß-Wasser, mit welchem er ihnen nach Gewohnheit der Alt-Vättern, die Füß waschte. Als dieses geschehen, und nunmehr die Mittag-Zeit herbey ruckte, gienge er in sein Küchelein, und bereitete [589] ihnen ein Mittag-Essen, so gut er es im Vermögen hatte. Nemlich, Suppen, Kraut, und allerhand Früchten aus seinem Gärtelein. Ja er setzte ihnen auch ein Glas von gutem Wein vor, den ihm ein guter Freund kurtz vorher verehrt hatte. Nun die Brüder liessen ihnen alles wohl geschmecken. Und wie sie zu Mittag, also seynd sie auch auf die Nacht tractirt worden. Als es nun Zeit war, die nächtige Ruhe zu nehmen, wünschte ihnen der Alt-Vatter ein gesunde, und ruhsame Nacht: Er aber begabe sich in sein Schlaf-Kämmerlein, und verrichtete alldort in der Stille sein Nacht-Gebett. Unterdessen sagten die 2. Brüder (welche nicht glaubten, daß sie von dem Alt-Vatter könten gehört werden) zusammen. So, so? Leben die Alt-Vätter so wohl in der Wüsten? Wer hätte es gemeint? Wir haben in unseren Clöstern nicht, was sie haben. Ja wohl ein so gutes Glas mit Wein? Der unserige könte wohl nicht schlechter seyn. Dieses Gespräch der Brüdern hatte der Alt-Vatter in seinem Schlaf-Kämmerlein mehr, als wohl vernommen. Derentwegen als es Tag worden, und die Brüder nach abgelegter (aber nur dem Schein nach) Dancksagung, sich beurlaubet, fragte sie der Alt-Vatter, wo sie dann weiters hin wolten? Und als sie geantwortet, zu einem anderen Alt-Vatter, von dem sie gehört, daß er auch in dieser Wüste, und zwar nicht weit von dannen wohne, sagte dieser: Gut, gut. Sagt ihm in meinem Namen, daß ich ihn freundlich grüssen lasse; Er solle aber diesen Tag den Salat nicht zu viel wässeren. Die Brüder giengen mit diesem Befehl also fort, und kamen gegen Abend zu dem Wald-Bruder-Häuslein, wohin sie verlangt hatten. Da traffen sie dann den anderen Alt-Vatter in seinem Gärtlein an, da er eben das Unkraut ausreutete. Diesen grüßten sie, und legten den ihnen mitgegebenen Befehl ab, er solte nemlich den Salat nicht zu viel wässeren. Der Alt-Vatter verstunde gleich, was diese Wort sagen wolten, führte also die Brüder in sein Häuslein hinein, bewillkommte sie, und sagte: Wiewohl ich euch nicht könne, so seyd ihr mir dannoch angenehme Gäst. Allein ehe wir mit einander ein mehrers sprechen, wollen wir vorhin zu GOTT unser Gebett verrichten. Er fiele also auf seine Knie nieder, und wie er gesehen, daß die Brüder desgleichen thaten, fienge er ein langes Gebett an, welches er mit vielem Seufzen unterbrochen, und wohl anderthalb Stund sich hinausgezogen hatte. Als dieses vollendet, deckte er den Tisch; setzte aber nichts anders auf, als ein schwartzes rauhes Brod, und etwas von überbliebenen Kraut, welches schon ein Tag vorher gekocht worden. Dazu ein wenig Saltz und Eßig, samt einem Bröcklein alten Käses. Alsdann sagte er mit rauher Stimm: Also leben wir arme Vätter in der Wüste. Das ist unser täglich Tractament. Ihr aber in den Clösteren lebt gegen uns, wie Herren. Die Brüder [590] hatten kaum ein wenig von dem, was aufgetragen worden, verkostet, da müssen sie schon wiederum aufstehen, und mit dem Alt-Vatter das nächtliche Examen machen, und über ihre begangene Fehler Reu und Leid erwecken. Hernach wise er ihnen für ihr Beth die blosse Erden, und sagte: Da könnet ihr euer Nachtläger nehmen; ich hab es auch nicht besser. Was wolten die Brüder machen? Sie wußten für dieses mahl kein andere Herberg zu finden. Also dann machten sie aus der Noth ein Tugend. Sie hatten aber kaum ein wenig, und zwar hart genug geschlaffen, da mußten sie schon in aller Frühe, ehe die Sonnen aufgangen, mit dem Alt-Vatter ein langes Morgen-Gebett verrichten. Alsdann führte er sie in sein Gärtlein, und gabe einem jeden ein Schauffel in die Hand, und strengte sie an, alles Unkraut ihm helfen auszureuten. Und nachdem sie gearbeitet, daß ihnen der häufige Schweiß über das Angesicht abgeloffen, ware ihnen kein anders Mittagmahl aufgestellt, als den vorigen Tag geschehen. Darum nahmen sie Abschied, und sagten, sie wären schon genug bey ihm gewest; er solte sie in GOttes Namen wiederum entlassen. Nein, nein, meine Brüder, (sagte der Alt-Vatter) ich lasse euch so bald von mir nicht hinweg; ihr müßt mir wenigst noch 8. Tag lang verbleiben, und mit meinem armen Tractament verlieb nehmen; ihr werdet mir damit einen grossen Gefallen thun. Dann ich siehe, daß ihr wohl arbeiten könnet, Aber die Brüder wolten sich nicht überreden lassen, als welche schon genug Hunger gelitten hatten. Darum, als der Alt-Vatter sich in sein Bett-Kämmerlein hinein begeben, und darinn sein Gebett verrichtete, warfen sie ihre Schauflen, welche sie wiederum zur Arbeit hätten brauchen sollen, hinweg, und machten sich heimlich davon. Da sie dann mit hungerigem Bauch in ihr Closter wiederum zuruck kommen seynd. Gazæus S.J. in piis Hilar. ex vitis Patr.


O wie recht ist diesen Gesellen geschehen! was für ein Undanck gegen dem ersten Alt-Vatter, der sie so freundlich aufgenommen, und so freygebig, nach seinem Vermögen tractirt hatte; ja so gar den Wein, so ihm verehrt worden, an seinem Maul ersparet, damit er selbigen den Gästen könte aufsetzen; hernach den guten Mann verschreyen wollen, als wann er köstlich lebte, und wider den Stand eines Wald-Bruders! O Knöpf! aber an keiner Rosenstauden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 589-591.
Lizenz:
Kategorien: