Drey und viertzigste Begebenheit.

Ein armer, mithin aber pralender Edelmann wird auf ein curieuse Weiß zu schanden gemacht.

[594] Es hatte dieser kein halbes Roß, will geschweigen ein gantzes im Stall; und dannoch kame er allezeit mit Stiefel und Sporren in die Stadt, spatzierte ein Gassen auf, die andere ab, als wann er, weiß nicht was für ein dolles Pferd geritten hätte. Die Obrigkeit des Orts, diesen Unform aufzuheben, und männiglich einen Spaß zu machen, forderte ihn für Gericht, und hielte ihm vor, wie daß er eines Todschlags beschuldiget werde; sollte sich demnach wohl vorsehen, wie er sich in einer Sach, die Leib und Leben betreffe, verantworten wolle. Dem Edelmann ware das ein unwerwarteter Streich: laugnete die That, und begehrte, man sollte ihm den Kläger unter Augen stellen. Man sagte ihm aber hierauf: das Verbrechen seye offentlich geschehen, und so viel Kläger und Zeugen vorhanden, als dazumahl zugesehen haben, wie er vor dem Stadt-Thor einen muthigen Hengst getummelt, zugleich aber ein kleines Kind zu todt geritten, etc. Und ob er schon auch dieses widersprache, setzte man ihme doch mit allerhand Fragen starck zu; brauchte unter andern auch für einen halben Beweiß seine Stifel und Sporren, nebst ernstlicher Betrohung, ihn alsobald setzen zu lassen, und die Wahrheit durch die Folter zu erpressen, wofern er nicht alles gütiglich bekennen wurde, etc. Mithin machte man dem guten Herren so bang, daß er Himmel und Erden zu Zeugen nahme, der Thäter müsse ein anderer seyn; er aber könne mit seinem gantzen Dorf beweisen, daß allbereit 10. Jahr kein Roß in seinen Stall kommen wäre, den Acker-Bau aber, und andere Zufuhr hätten nur die Ochsen verrichten müssen, etc. Hierüber entstunde ein unsägliches Gelächter; und nachdem er einen Abtritt genommen, bald aber wiederum in die Rath-Stuben hinein geruffen wurde, gabe man ihme zu verstehen, dem Rath seye wegen seiner stattlichen Verantwortung ein Genügen geschehen; jedoch werde ihm hiemit zugleich bedeutet, daß, weilen er je kein Roß in die Stadt zu reiten vermöchte, sollte er forthin die Stiffel und Sporren auch zu Haus am Nagel hangen lassen. Drexelius S.J.p. 3. Phaetontis. c. 5. §. 2. in Ostentrice lingua.

O wie spöttlich ist dieser Edelmann zu schanden worden, das haben aber auch alle andere seines gleichen zu gewarthen, die sich, weiß nicht wie, spreissen, und ist sauber nichts darhinter. Ist es nicht schön, sich rühmen einer Sach, die man hat; so ist es gewißlich spöttlich, sich eines Dings rühmen, das man nicht hat.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 594-595.
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