Sechste Begebenheit.

Ein Weib beredet ihren versoffenen Mann mit List, als wann er gestorben, und wiederum wäre lebendig worden.

[492] In Niederland ware ein Weib, die hatte zu einem Mann einen rechten Weinschlauch; dann er steckte Tag und Nacht in denen Wirths-Häuseren, [492] und trancke so lang, bis er voll, oder sonst bezecht genug ware. Wann er aber auszahlen solte, geschahe es vielmahl, daß er mehrer versoffen, als der Beutel zu bezahlen vermöchte. Weßwegen er dann jetzt den Mantel, jetzt den Hut in denen Händen der Würthin zuruck lassen mußte. Will nichts sagen von denen Schelt-Worten, mit welchen ihm diese gezwagen hatte: nahme er dann den Weeg nacher Haus, so trümmlete er bald da, bald dort an ein Haus hin, ja fiele oft mitten in das Koth hinein, und kame voller Unflat nacher Haus, wie (mit Gunst zu melden) ein garstige Sau. Allein wie gienge es, wann er zu Haus angelangt? da ware niemand vor ihm sicher: Nicht das Weib, nicht die Kinder, nicht die Ehehalten, sondern wen er antraffe, auf den fluchte er, oder schluge darein; also daß sich die Kinder vielmahl in den Ofen verschloffen, nur damit sie denen Streichen entgehen möchten. Kame er dann in die Stuben, warfe er Stühl und Schemmel über einander, oder wann es ihm nicht geschmeckte, was man ihm auf den Tisch zu essen aufgesetzt, schmeissete er Schüssel und Teller zum Fenster hinaus. Was solte nun das Weib anfangen? sie bittete ihn, sie wehrte ihm, sie vergosse die Zäher vor ihm: Wann aber dies alles nichts helfen wolte, schalte sie ihn aus, fiele ihm zu letzt in die Haar, und raufte mit ihm so lang herum, bis sie mit blauem Angesicht, und abgedroschenem Buckel von ihm abliesse, nachgehends aber die Nachbarschaft mit Heulen und Klagen anfüllte. Dieser Unform des Manns einmahl ein End zu machen, hat sie endlich diesen List erdacht: Als der Mann auf eine Zeit seiner Gewohnheit nach volltruncken zu Haus angelangt, geflucht und gepoldert, hernach in die Kammer getrümmlet, und sich auf das Beth hin, wie ein Sau auf die Streue gelegt, mithin in einen tiefen Schlaf gefallen, und zu schnarchen angefangen, gienge das Weib hin, nahme 2. Strick, bande dem Mann Händ und Füß darmit zusammen, lupfte ihn gantz sanft vom Beth herunter, und legte ihn mitten in die Kammer auf den Boden hin: Alsdann deckte sie ihn zu mit einem Leylach, und stellte auf bey den Seiten, zu oberst und zu unterst, angezündete Kertzen (wie man nemlich bey einem Verstorbenen zu thun pflegt) darauf hin fienge sie an zu heulen und zu klagen, als wann ihr Mann gestorben wäre: wordurch dann ihre Nachbäurinnen zu ihr ins Haus kamen; um sie über den Tod (wie sie glaubten) des Manns zu trösten. Da fiele sie dann auf den Boden zu ihrem Mann hin, und führte verstellter Weis folgende Klag: Ach! mein Mann! ach mein Mann! so bist du dann gestorben? und das so geschwind? wider alles Verhoffen? O mich verlassene Wittib! O ihr Vatter lose Kinder! allein der Mann schlieffe immer fort, und vernahme nichts von diesem Klagen. So fienge dann das Weib auf ein neues an, und schrye endlich so laut, bis der Mann darüber erwacht, und aus Verwunderung, was dieses Klagen [493] bedeute, die Augen nach und nach aufgethan. Wie er aber durch das Leylach die angezündete Kertzen neben sich gesehen, und wahrgenommen, daß ihm Händ und Füß gebunden wären, als wolte man mit ihm dem Grab zufahren, da kame ihn eine solche Angst und Forcht an, daß er schier in Ernst dahin gestorben wäre. Er getraute sich demnach nicht einmahl sich zu regen; sondern hörte nur dem Klagen des Weibs zu: um die Ursach ihres Klagens zu vernehmen. So fuhre dann das Weib in ihrer Klag fort, und sagte: Ach! mein Mann! so bist du dann jetzt in der Höll darunten, und sitzest bey deines gleichen vollen Zapfen? Ach! hättest doch vor deinem letzten End noch beichten, hättest wenigst Reu und Leid erwecken, und mit dem offenen Sünder an deine Brust klopfen können; so wärest du der Höll noch entgangen. Aber anjetzo, da du in einem bösen Stand, und gantz unchristlich gestorben, ist dir nicht mehr zu helfen. Du bist verdammt, und bleibst verdammt in alle Ewigkeit. Wie der Mann alle Wort des Weibs mit grosser Aufmercksamkeit vernommen, da ist nicht auszusprechen, wie sich die Angst und Forcht bey ihm vermehrt habe. Dann er glaubte gäntzlich, er wäre gestorben, und käme nunmehr lebendig aus der Höll zuruck. So sagte er dann mit schwacher und zitterender Stimm: Weib! Weib! das Weib dies hörend, stellte sich, als wurde sie mit ungemeinem Schröcken überfallen; Fragte also gleichfalls mit zitterender Stimm: Was ist das, mein Mann? lebst du dann wiederum. Ja, antwortete der Mann: ich lebe und komme aus der Höll zuruck. Wie fragte das Weib ferners: du lebst wiederum, und kommst aus der Höllen her? in Ernst? oder werde ich betrogen? in Ernst, antwortete der Mann. Darum bitte ich dich, mein liebes Weib! löse mir die Strick an Händ und Füssen auf; damit ich aufstehen könne. Weil nun der Mann dem Weib so gute Wort gab, und gantz bekehrt zu seyn schiene, lößte sie ihm eben die Strick auf, und halfe ihm, daß er sich aufrichten könnte. Alsdann hebte er die Händ gen Himmel, und sagte: O mein GOtt! was für ein grosse Gnad hast du mir erwiesen, daß du mich wiederum hast lassen lebendig werden! O was hätte ich in alle Ewigkeit für Pein und Qual müssen leiden, wann du dich meiner nicht erbarmet hättest! also dann zur Erkanntnuß für diese unaussprechliche Gnad gelobe ich dir von dieser Stund an, daß ich mein Lebtag kein Tropfen Wein mehr trincken wolle, dazu helfe mir mit deiner Gnad und Beystand. Was er angelobt, das hat er auch heiliglich gehalten, und forthin recht fromm und gottsförchtig gelebt. Wie unterdessen das listige Weib in Anhörung des Gelübds werde heimlich gelacht haben; wie ihr das Hertz im Leib vor Freuden werde aufgesprungen seyn; was sie werde gedenckt haben; wer wird es aussprechen? ist ihr auch nicht zu mißgönnen, daß ihr der Possen angangen; weil so viel Gutes daraus [494] entsprungen ist. Gazæus S.J. in piis Hilar. ex. Relatis Viri probi.


Wolte GOtt, daß alle Wein-Schläuch, und dem Vollsauffen ergebene Luder zu Gemüth führten die Höll, so auf sie wartet, wie bald solten sie bekehrt werden! nun sagt es ihnen der Apostel vor; daß nemlich die Trunckene das Reich GOttes nicht besitzen werden. 1. Corinth. 6. Und was Wunder? die Trunckenheit benimmt dem Menschen den Verstand, und macht ihn gleich dem unvernünftigen Vieh. So reitzt sie auch an zur Geilheit und Unlauterkeit, welche ein recht viehisches Laster ist. Darum warnet der David Psal. 31. Werdet nicht, wie ein Roß und Maulthier, die kein Verstand haben: Dann diese seynd geile Thier. Letztlich, ein Trunckener legt sich schlaffen, wie das Vieh. Dann er hat den Gebrauch der Vernunft nicht mehr. Solte er nun in solchem Stand vom Tod übereilt werden (wie dann leicht geschehen könnte) wurde er nicht ewig verdammt seyn? ohne Zweifel: Weil er nemlich aus Mangel des Verstands vor dem Schlaf kein Reu und Leid hat erwecken können. O dieses solle ja endlich allen denen, so dem übermässigen Sauffen ergeben seynd, einen heilsamen Schröcken einjagen!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 492-495.
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