9. Auff des Socrates Steckenreiten

[216] Wie thöricht ist es doch, dass man die Ursach fragt,

Dass man den Socrates auff einem Stock sieht reiten!

Schau' Arcas der dem Fürst so ernsthafft steht zur Seiten,

Der liegt die gantze Nacht mit seiner eignen Magd;

Antenor, der nach nichts als Musck zu riechen pflag,

Der raucht, so bald er nur im Schlaff-Rock ist, Toback;

Thrax pflegt sich über viel Geschäffte zu beschweren,

Und spielt doch manchen Tag biss Abend im Verkehren:

Gedenck', es sey die Welt ein weites Schaugerüst',

Auff dem wir insgesammt vermummte Spieler sein,

Nun weiss man ja, dass insgemein

Der Meister, Pickelhering ist.1


Fußnoten

1 Der Meister-Pickelhering ist. Man will sagen, dass gleich wie unter den Comedianten der Pickelhering vor die schwerste Person gehalten, und folgends gemeiniglich von dem Meister selbst vorgestellet wird, also auch unterweilen zu Hofe die Vornehmsten die grösten Gauckler sein, so gar, dass wenn man allezeit wüste was unter der Schlaffmütze vorginge, man solch eine tieffe Ehrerbietung vor eine lange und grosse Perrücke nicht haben würde. Was Socrates, der zu dieser Uberschrifft die Gelegenheit gegeben, gethan, dasselbe wird auch vom König Agesilaus geschrieben, und ich erinnere mich vom Cardinal de Richelieu gelesen zu haben, dass er allezeit nach der Mahlzeit der Bewegung halber in dem langen Gange seines Pallasts eine Zeitlang allerhand krumme Sprünge gemachet, so gar dass als ihn der alte Marschall de Grammont in dieser lustigen Ubung einst wieder seinen Willen ertappet, und folgends besorget, es möchte übel von ihm aufgenommen werden, er des Cardinals Thorheit mit seiner eignen bescheinigen wollen, und so gleich auch etliche Lufftsprünge gemacht habe, sagende, dass ob er gleich alt sey, er dennoch wol so hoch als Ihre Eminentz springen könne.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 216-217.
Lizenz:
Kategorien: