3. Auff die schöne aber unbelebte Dorinde

[134] Schön ist Sie, ja, ich geb' es nach,

Doch auch so sonder Geist und albern, daß man schwur

Es sey ihr Mund ein Grab der Sprach',1

Nichts als Verblendung ihre Blick':2

Sie wär als ein Gemähld des künstlers Meister-stück,

Und ist als ein Geschöpf' ein Vorwurff der Natur.


Fußnoten

1 Ihr Mund ein Grab der Sprach. Dieweil man kein Wort von ihr höret. Vielleicht ist dieses Gleichniss zu weit gesuchet. Vielleicht trifft es in mehr Stücken ein, als man sich gleich einbildet, sintemahl ein schöner Mund nicht allezeit Zähne von Perlen hat, noch einen Athem der nach Amber riechet.


2 Verblendung ihre Blick'. Man sagt von einer unbelebten Person, dass sie eine Seule sey, so dass, weil sich nichts an ihr als die Augen rühren, sich mancher einbilden solte, dass es eine blosse Verblendung sey.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 134.
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