50. Die weinende Chloris

[155] Den Ursprung findst du nicht, wie sehr du dich bemühst,

Wenn Chloris Augen sich in so viel Ström' ergiessen;

Drum glaub', auf dass sie dich nicht trüge, dass du siehst

Den Niel dem Crocodil1 aus seinen Augen fliessen.


Fußnoten

1 Den Niel dem Crocodil. Dass sich viel Crocodillen in dem Fluss Niel befinden, und derselben Thränen dem Wandersmann nichts gutes bedeuten, ist dem Leser so bekant, als es demselben vielleicht frembde scheinen wird, dass man allhier diesen Fluss aus des Crocodillen Augen, wie sonst die Mahler aus einem umgeworffenen Topffe fliessen gemacht. Man hat zwar dadurch anzeigen wollen, dass wie der Ursprung dieses Flusses, also auch die Ursach der Chloris Thränen nicht ergründet werden könne, allein diese Metaphora ist ohne Zweiffel von denjenigen, von welchen Longinus in seinem Tractatu de sublimi Cap. 2 saget, dass sie wegen gar zu viel Sinnligkeit einfältig sind. Weswegen denn auch folgende Uberschrifft, welche in der ersten Ausgabe stat dieser zu finden, obgleich dieselbe auch auf keine schlechte Hyperbole gegründet, vielleicht einigen Lesern besser gefallen wird.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 155.
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