29. Auff einen Schul-Fuchs

[187] Dass eine glückliche Natur

Bissweilen grosse Leut' ohn' andre Hülffe machet,

Das glaubt er nicht, und denckt wer bey der Lamp' und Uhr

Nicht manche lange Nächte wachet;

Wer die Poeten nicht, kein Griechisch und Latein

Versteht, noch voller Sinn-Sprüch' ist,

Der sey ein schlechter Tropff: Kurtz, Crato bildt sich ein,

Dass keiner lesen kan, als der mit Brillen lisst.1


Fußnoten

1 Als der mit Brillen lisst. Dass diejenige, die von Natur mit einem herrlichen Verstand begabet sind, die andre weit übertreffen, die denselben erst aus Grichschen und Lateinschen Büchern suchen müssen, wird wol so leicht von keinem vernünfftigen Mann in Streit gezogen werden; und hätte auch vielleicht nicht besser als durch diesen Sinn-Schluss erläutert werden können, sintemahl die, die keine Brillen vonnöthen haben, ohnstreitig besser sehen, als die jenige, die sich derselben Gebrauchen müssen. Allein dergleichen Sinn-Schlüsse werden so leicht von den jenigen nicht verstanden, welche keine Uberschriffte zu schätzen wissen, worinnen nicht das Weisse schwartz, und das Schwartze weiss gemacht wird.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 187.
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