19.

Wie des kauffmans ehelicher son seinem vatter mit grosser bitt anlag, im zů erlauben, seinen liebsten brůder Lewfriden zů suchen; des ihme der vatter kaum erlauben wolt, jedoch zůletst bewilliget.

[314] Da oben haben ir verstanden, wie Lewfrid von Herman dem kauffman ehrlich und wol aufferzogen ist sampt irem son, welcher ir einiger erb was, der was genant Walter. Derselbig nach dem abscheid seins angenomen gesellens und brůders inn langem trawrem stehtigklich verharret, im von der zeit an, das Lewfrid hinweggescheiden was, fürnam, so im got sein leben erlengert, so das er zů seinen manbaren jaren käm, wolt[314] er je nit erwinden, seinen liebsten brůder und gesellen zů suchen, er wer gleich im land, wo er wolt. Nit minder hat Lewfrid verlangen nach im, nam im auch endtlich für, seinen gesellen und brůder ein fart in unbekandter weiß heimzůsuchen und, so im dann möglich wer, mit im auß dem land zů füren.

Des kauffmans son Walter was jetzund schon erwachsen, ein seer schöner und gerader, dabei wolgelerter jüngling. Eines tags satzt er mit früntlichen worten an seinen vatter: ›Mein vatter,‹ sagt er, ›ich bit dich früntlich, du wöllest mich einer kleinen bitt, so ich an dich legen wil, geweren. Dann ich weder tag noch nacht rhů haben mag, ich erfar und erkünde dann, wo mein liebster brůder und erster gesell hinkummen sey; ich meyn Lewfriden, welchen du in gleicher liebe mit und bey mir aufferzogen hast. Darumb langt mein hertzlichste bitt an dich, wöllest mir ein kleine zerung mittheylen und ein pferdt; so will ich meinen liebsten brůder unnd freundt suchen. Damit mag ich auch das land ein wentzig erkündigen unnd erfaren. Du darffest dich, mein lieber vatter, keins üblen an mir besorgen, noch das ich das mein unnützlich verthůn wölle oder mich böser nichtiger geselschafft anhengig machen. Dann ich, gott hab lob, von meinem schůlmeister und preceptor gnůgsamlichen bericht empfangen, was böse geselschafft thůn mag, derhalb ich mich all meine tag von in entziehen und absünderen will. Allein erlaub mir, lieber vatter, dise reiß zů volnbringen!‹

Hermanus der kauffmann ab den worten seines sons nit wenig unmůt empfieng; dann er im sein bitt nit gern abschlůg, so bewilliget er auch nit gern in solche reiß. Fing derhalben an gar freundtlich mit seinem son zů reden und sagt: ›O Walter, mein einiger und allerliebster son, nit wöllest mich, deinen vatter, und dein liebe můter in solich beschwernuß setzen. Was grossen trübsal wurdest du uns zůfügen, wann du[315] uns so verlassen wirdest! Was gedenckst du Lewfriden zů suchen! Ich sorg, er sei vor langem zů grundt gangen. Dann ich bin ungezweiflet, solt er noch in leben sein, er wird uns vor langem embotten haben; dann im die groß lieb und freundtschafft, so mir im getragen hand, unverborgen ist. So er dann nit mer vorhanden wer, wirdest du alle dein müh und arbeyt umbsonst volbringen. Ist er aber noch in leben und hat uns so gar in vergeß gestelt, was wolt dann dich not angohn, ihn in frembden unerkandten landen zů suchen? Bleib bei uns, als bey mir deinem vatter und můter, und sůch dir andre gesellschafft, mit welchen du dir freud und kurtzweil nemest! Dann fürwar sorg ich, Lewfrid würt nit mehr vorhanden sein.‹

Als Walter seinen liebsten vater reden hort, wiewol er im von jugent auff alle zeit gehorsam gewesen was, noch wußt noch mocht er im dis orts nit gehorsam sein, bat in von newem gantz hertzlich, im solcher bitt nit abzůschlagen, sagt im darbey zů, das er sich keineswegs saumen wolt und, so beldest, er mocht, widerkommen.

Als nun der vatter sahe, das sein son nit abzůwenden was, bewilligt er zůletst, in seiner bit zů geweren. Alsbald machet sich der gůt jüngling geschickt zů der reyß. Do aber die můter die sach vernam, gebar sie gantz kleglich. Hermanus aber redt ir die ding auß, so best er mocht. Er gab seinem son ein gůte zerung, dinget im auch einen frommen und getrewen knecht zů, so mit im reitten und sorg zů im haben solt. Also reit der gůt jung Walter von seinem vatter und můter mit seinem knecht und begeret jetz nit mehr, dann Lewfriden zů erfaren.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 314-316.
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